1. Normadressaten und Straftatbestände
Rz. 410
Das seit 2017 geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wird ab dem 1.2.2022 reformiert.
Normadressaten sind Anbieter sozialer Netzwerke, wobei Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, nicht als soziale Netzwerke gelten. Ebenso wenig werden nach diesem Gesetz Plattformen erfasst, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.
Die in § 1 Abs. 3 NetzDG benannten einzelnen Straftatbestände bilden den Maßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung gem. § 3 NetzDG.
In § 1 NetzDG 2022 heißt es wörtlich:
1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Dienstanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes.2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 bis 3a befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.3) Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 110a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131,140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.4) Eine Beschwerde über rechtswidrige Inhalte ist jede Beanstandung eines Inhaltes mit dem Begehren der Entfernung des Inhaltes oder der Sperrung des Zugangs zum Inhalt, es sei denn, dass mit der Beanstandung erkennbar nicht geltend gemacht wird, dass ein rechtswidriger Inhalt vorliegt.
2. Berichtspflicht und Beschwerderecht
Rz. 411
Diese Beschreibung macht deutlich, worum es geht. Die Provider (einschränkend "soziale Netzwerke", also Provider mit Gewinnerzielungsabsicht, die Plattformen unterhalten) sollen im Bereich strafrechtlicher Persönlichkeitsverletzung in die Pflicht genommen werden, einmal durch die sog. Berichtspflicht (§ 2 NetzDG), zum anderen durch ein Beschwerderecht über rechtswidrige Inhalte, das entweder die Entfernung des offensichtlich rechtswidrigen Inhalts oder die Sperrung des Zugangs zu solchen Inhalten innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde vorsieht (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 NetzDG). Bei sonstigen rechtswidrigen Inhalten hat eine Entfernung oder Sperrung innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde zu erfolgen (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 NetzDG).
Kern dieser Vorschrift sind strenge Prüfpflichten für die Anbieter sozialer Netzwerke. Das BVerfG hat entschieden, dass diese Anbieter bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des NetzDG "ohne Entscheidungsfreiraum unbedingt zur Entfernung oder Sperrung der in sozialen Netzwerken verbreiteten Inhalte verpflichtet" seien.
Dabei ist noch nicht abschließend geklärt, welche rechtlichen Folgen sich für die Anbieter sozialer Netzwerke mit Blick auf Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze ergeben. Das OLG Braunschweig hat mit Blick auf die Frage der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in der Vertragsbeziehung zwischen Nutzer und Anbieter die Revision zugelassen.
3. Meldepflicht, Gegenvorstellung, Videosharingplattform-Dienste und Zustellungsbevollmächtigter
Rz. 412
§ 3a NetzDG regelt die Meldepflicht. Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames Verfahren für Meldungen vorhalten, wie dies im Einzelnen in § 3a Abs. 2–5 NetzDG beschrieben ist. Nach § 3a Abs. 2 NetzDG sind dem Bundeskriminalamt als Zentralstelle zum Zweck der Ermöglichung der Verfolgung von Straftaten die dort unter § 3a Abs. 2 Nr. 1–3 NetzDG beschriebenen Inhalte zu übermitteln.
Rz. 413
§ 3b NetzDG sieht ein Gegenvorstellungsverfahren sowohl für Beschwerdeführer als auch Nutzer zur Überprüfung einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte vor (Abs. 1). Das entsprechende Verfahren ist in Abs. 2 geregelt. Zudem gibt es noch die Möglichkeit der Beanstandung, sofern einer Entscheidung über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt keine Beschwerde zugrunde liegt (Abs. 3).
Rz. 414
§ 3c NetzDG regelt ein behördliches Schlichtungsverfahren (Behörde nach §§ 4, 4a NetzDG ist das Bundesamt für Justiz).
Rz. 415
§§ 3d und 3e NetzDG enthalten Bestimmungen über die Videosharingplattform-Dienste. Für diese finden die beschriebenen Vorschriften für soziale Netzwerke grds. Anwendung. Besonderheiten gelten für solche Videosharingplattform-Dienste, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU haben. Dann dürfen die Maßnahmen, insbesondere die Berichtspflicht gem. § 2 NetzDG, nur auf behördliche Anordnung der Aufsitzbehörde nach § 4 NetzDG (Bundsamt für Justiz) erfolgen.
Rz. 416
§ 3f NetzDG sieht ein behördliches Schlichtungsverfahren ...