Rz. 45

Das Haager Testamentsformübereinkommen (siehe Rdn 12 ff.) gilt für die Formwirksamkeit von Erbverträgen nicht. Über Art. 27 Abs. 1 EuErbVO werden dessen zahlreiche Anknüpfungen aber im Wege autonomen europäischen Verordnungsrechts auf Erbverträge erstreckt. Die dort aus dem Testamentsformübereinkommen entlehnten Anknüpfungen gelten für sämtliche "schriftliche Verfügungen von Todes wegen", mithin gem. Art. 3 Abs. 1 lit. d EuErbVO auch für Erbverträge. Dabei ergibt sich eine Ausweitung der Anknüpfung daraus, dass es für die Anknüpfung genügt, dass die Anknüpfung in einer einzigen Person, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen betroffen ist, verwirklicht ist, so dass damit auch die Verfügungen aller anderen Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen betroffen ist, nach dieser Rechtsordnung formgerecht errichtet werden können. Der auch der erbvertraglichen Rechtswahl zugrunde liegende Grundsatz "Jedes Heimatrecht für alle" (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO; dazu Rdn 39) wird hier auf die Formanknüpfung erstreckt. Die damit erreichte Multiplikation der Anknüpfung, vor allem die Anwendung der Formregelungen auch solcher Staaten, zu denen der Verfügende keine persönliche Beziehung hat (sondern nur sein Vertragspartner), ist bedenklich, denn sie entzieht u.U. den Verfügenden den mit den Formvorschriften verfolgten Übereilungsschutz. Dieser ist gerade im Erbvertragsrecht von großer Bedeutung, denn hier hat der Verfügende – anders als nach Errichtung eines Testaments – keine Möglichkeit mehr, die Verfügung nach Überdenken der Angelegenheit durch ein erneutes Testament aus der Welt zu schaffen.

 

Rz. 46

Darüber hinaus ergeben sich aus der nahezu uferlosen Ausdehnung des Kreises der anwendbaren Rechte Probleme bei der Feststellung der Formwirksamkeit eines Erbvertrages: Da im Erbfall auch auf Seiten der noch nicht verstorbenen Vertragspartner eine Verwirklichung weiterer Anknüpfungsmomente (z.B. durch die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat vor dem Tod des Überlebenden) zur Heilung einer Formnichtigkeit der vertragsmäßigen Verfügung des Verstorbenen führen kann, ist eine endgültige Feststellung der Formnichtigkeit beim mehrseitig verfügenden Erbvertrag erst dann möglich, wenn der letzte Verfügende verstorben ist (!). Da es hier für den "Auslandsbezug" genügt, dass dieser erst beim Tod des Letztversterbenden verwirklicht ist, ergibt sich damit das Problem der "latenten Formwirksamkeit" selbst für solche Erbverträge, die beim Tod des Vorversterbenden noch keinen Auslandsbezug aufweisen, also sog. pure domestic contracts sind.[34]

[34] Zu diesem Phänomen Süß, Der unnichtige Erbvertrag nach der Europäischen Erbrechtsverordnung, ZErb 2014, 225.

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