Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 39
Wegen der in § 2 aufgezeigten Probleme (siehe § 2 Rn 198 ff., 206) sollte grundsätzlich überlegt werden, ob die Ehegatten (bzw. Lebenspartner) nicht besser einen Erbvertrag schließen. Dazu ist jedenfalls dann zu raten, wenn wechselbezügliche Verfügungen und die Bindung hieran gewünscht wird, die beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament nicht mit hinreichender Sicherheit zu gewährleisten ist (vgl. dazu § 2 Rn 199 ff.).
Rz. 40
Besitzen nicht beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit, so können sie für die Zulässigkeit und Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments nicht gemäß Art. 24 Abs. 2 ErbVO deutsches Recht wählen. Deutsches Recht ist dann zwar – bei gewöhnlichem Aufenthalt der Ehegatten in Deutschland – dennoch maßgeblich (über Art. 24 Abs. 1 ErbVO), Widerruf und Änderung können aber in diesem Falle nicht auf das deutsche Recht fixiert werden. Vielmehr richten sich Widerruf und Änderung nach dem Recht am neuen gewöhnlichen Aufenthalt, wenn ein Ehegatte (oder beide) den Aufenthalt aus Deutschland verlegt (Art. 24 Abs. 3 S. 1 ErbVO). Es kommt insoweit auch nicht darauf an, ob die Verfügungen nach deutschem Recht wechselbezüglich waren (zur Möglichkeit, die Rechtswahl als wechselbezügliche Verfügungen auszugestalten vgl. § 2270 Abs 3 n.F. BGB (siehe oben § 2 Rn 207), denn das deutsche Recht findet keine Anwendung. Dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament – zumindest soweit es um die Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen geht – kann dadurch der Boden entzogen werden.
Rz. 41
Damit ergibt sich zukünftig auch bei scheinbar reinen Inlandsachverhalten – deutsche Ehegatten, gewöhnlicher Aufenthalt bei Errichtung des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments in Deutschland – eine "neue" Möglichkeit zum Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen ganz einfach durch Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Staat. Es entfällt damit die Bindung an die wechselbezüglichen Verfügungen.
Rz. 42
Sind beide Ehegatten deutsche Staatsangehörige, können sie gemäß Art. 24 Abs. 2 ErbVO für die Zulässigkeit und Wirksamkeit des Ehegattentestaments das deutsche Recht wählen, Änderung und Widerruf unterliegen in diesem Falle dann auch dem deutschen Recht (Art. 24 Abs. 3 S. 2 ErbVO). Es ist daher zu überlegen, ob auch bei scheinbar reinen Inlandssachverhalten die Ehegatten das deutsche Recht wählen, nur so kann Vorsorge dagegen getroffen werden, das später nicht ein anderes Recht für den Widerruf maßgeblich ist.
Rz. 43
Hierüber sind die Ehegatten aufzuklären, sodass künftig standardmäßig in allen Fällen, in denen Ehegatten (oder Lebenspartner) ein gemeinschaftliches Testament errichten, bei dem sie das deutsche Recht nicht für die Zulässigkeit und die Wirkungen des Testaments wählen (weil sie es nicht wollen oder weil sie es mangels deutscher Staatsangehörigkeit nicht können) eine entsprechende Beratung (und Belehrung) erfolgen sollte.
Muster 4.12: Formulierungsbeispiel zur Belehrung beim gemeinschaftlichen Testament
Muster 4.12: Formulierungsbeispiel zur Belehrung beim gemeinschaftlichen Testament
Der Notar hat uns darüber belehrt, dass bei Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts eines oder beider Ehegatten der Widerruf dieses Testaments nicht dem deutschen Recht, sondern einem fremden Recht unterliegen kann. Wesentliche Ziele dieses gemeinschaftlichen Ehegattentestaments können dadurch verfehlt werden.
Der Notar hat uns auch darüber belehrt, dass er das maßgebliche ausländische Recht nicht kennt und nicht kennen muss und auch nicht verpflichtet ist, darüber zu belehren. Er hat uns über fremdes Recht nicht beraten oder belehrt.
Rz. 44
Bei Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland unterliegen die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit gemäß Art. 24 Abs. 1 Erb VO deutschem Recht (wenn keine Rechtswahl gemäß Art. 24 Abs. 2 getroffen wird). In diesem Fall kann auch eine Rechtswahl des auf die Erbfolge anzuwendenden Rechts nach Art. 22 erfolgen (jeder Ehegatte kann sein Heimatrecht wählen, bei deutschen Ehegatten kann also deutsches Recht gewählt werden.
Rz. 45
Die Rechtswahl kann dabei nach § 2270 Abs. 3 neue Fassung BGB auch wechselbezüglich ausgestaltet sein. Die Einschränkungen bzw. Sonderregelungen beim Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen des § 2271 BGB gelten aber nur, wenn auch der Widerruf deutschem Recht unterliegt. Das ist aber gemäß Art. 24 Abs. 3 S. 2 ErbVO nur dann der Fall, wenn die Ehegatten für die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit ihrer Verfügung von Todes wegen gemäß Art. 24 Abs. 2 ErbVO deutsches Recht gewählt haben. Haben Sie nicht gewählt, gilt für den Widerruf Art. 24 Abs. 3 S. 1 ErbVO, der Widerruf unterliegt dann dem von Art. 24 Abs. 1 ErbVO berufenen Recht, d.h. dem Recht am neuen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. dem über Art. 22 ErbVO – auch nachträglich – gewählten Recht.
Rz. 46
Nimmt ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist dieses Recht für die Frage des Widerrufs maßgeblich. Gleiches gilt, sofern er später – entgegen der Anordnun...