Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 32
Hat der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit und auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, liegt nach derzeitiger Rechtslage der "Normalfall" vor. Verlegt der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht, liegt dann auch zukünftig kein grenzüberschreitender Erbfall vor und die Regelungen der ErbVO wirken sich grundsätzlich nicht aus. Sie bewirken nur, dass es nicht zu einer Nachlassspaltung kommen kann, selbst wenn der Erblasser Vermögensgegenstände in den übrigen Mitgliedstaaten hat (vgl. das Beispiel oben, siehe § 3 Rn 66, Fall 11, bei dem der deutsche Erblasser Eigentümer von Immobilien in Frankreich ist – nach bisheriger Rechtslage kommt es in diesem Falle zur Nachlassspaltung; dies ist nach der Rechtslage unter der ErbVO nicht mehr gegeben, der Erblasser wird auch im Hinblick auf die französischen Immobilien nach deutschem Recht beerbt).
Hat der Erblasser zwar Vermögen außerhalb von Deutschland, aber nur innerhalb der Mitgliedstaaten (nicht in einem Drittstaat), liegen im Hinblick auf eine Verfügung von Todes wegen keine Besonderheiten vor.
Verlegt der Erblasser aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt, müssen die Anordnungen der Verfügung von Todes wegen von dem dann anwendbaren Recht umgesetzt werden, sodass sich auch in einem solchen Falle "sicherheitshalber" die Wahl des Heimatrechts (deutschen Rechts) gem. Art. 22 empfehlen kann, zumindest dann, wenn der Erblasser nicht sicher ausschließen kann, seinen Aufenthalt nicht zu verlegen.
Rz. 33
Es empfiehlt sich außerdem ein Hinweis darauf, dass die Ziele der Verfügung von Todes wegen möglicherweise nicht mehr erreicht werden können, wenn der gewöhnliche Aufenthalt verlegt wird und keine Rechtswahl (des deutschen Rechts) nach Art. 22 Abs. 1 ErbVO erfolgt.
Die Verfügung von Todes wegen sollte entsprechend dem Formulierungsbeispiel (siehe oben Rn 18) – ergänzt um die Anordnungen des Erblassers zur Erbfolge etc – abgefasst werden.
Hat der Erblasser auch Vermögen in Drittstaaten, bezieht sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht aus Sicht der ErbVO (und damit aus deutscher Sicht und der Sicht aller Mitgliedstaaten) auch auf dieses Vermögen; deutsches Pflichtteilsrecht z.B. gilt in diesem Falle auch im Hinblick auf den Nachlass, der in dem Drittstaat belegen ist (Beispiel hierzu vgl. § 3 Rn 86, 90). Aus Sicht des Drittstaates – der die ErbVO nicht anwendet – ist das jedoch nicht der Fall, dieser Staat wird sein eigenes Pflichtteilsrecht anwenden.
Rz. 34
In diesem Falle ist zu überlegen, ob zusätzlich eine Verfügung von Todes wegen nach dem Recht dieses Drittstaates errichtet werden soll, damit die Gewähr besteht, dass die gewünschten erbrechtlichen Anordnungen auch dort Wirkungen zeigen. Es ist jedoch nicht zu empfehlen, dass der deutsche Notar dieses Testament entwirft, weil in diesem Falle fremdes Recht anzuwenden ist und er darüber – zutreffend – zu beraten hätte (vgl. oben Rn 7). Zu beachten ist auch, dass die Form der Verfügung von Todes wegen sich nicht nach den von der ErbVO alternativ berufenen Rechten richtet, sondern die Verfügung von Todes wegen wird in dem Drittstaat nur berücksichtigt werden, wenn die Form, die der Drittstaat vorsieht, eingehalten worden ist (bzw. eine der Formen, die das Kollisionsrecht des Drittstaates beruft; das kann dann ggf. auch die Form des deutschen Rechts sein, etwa, wenn das Kollisionsrecht auf den Errichtungsort verweist, so z.B. wenn in diesem Drittstaat das Testamentsformübereinkommen gilt).