Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 56
Wollen zwei (oder mehrere) Erblasser in einem Erbvertrag Verfügungen von Todes wegen treffen, handelt es sich nach der Terminologie der ErbVO um einen Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft (Art. 25 Abs. 2 ErbVO).
1. Deutsche Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland
Rz. 57
Wenn insgesamt ein grenzüberschreitender Bezug fehlt, müssen die Regelungen der ErbVO grundsätzlich nicht beachtet werden. Auch hier gilt aber, dass die Erblasser vorsorglich sowohl das auf die Rechtsnachfolge anwendbare Recht als auch das auf den Erbvertrag anwendbaren Recht wählen können und sich dies Vorgehen dann empfiehlt, wenn ein Auslandsbezug nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Auch hier gilt, dass eine Rechtswahl nicht schädlich ist, selbst wenn sie sich als überflüssig erweist.
Die Formulierung sollte entsprechend dem Vorschlag oben (Muster 4.13 siehe Rn 52) – Stichwort "vorsorglich" – gewählt werden (jedoch auf beide/oder alle Erblasser bezogen).
2. Deutsche Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland
Rz. 58
Ein Erbvertrag kann ohne Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 3 ErbVO geschlossen werden, wenn das Recht im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts (oder wenn die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in zwei verschiedenen Staaten haben: das Recht beider Staaten) den Erbvertrag zulässt. Die materiellen Wirksamkeit und die Bindungswirkungen richten sich gem. Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 in diesem Falle nach dem Recht, zu dem der Erbvertrag die engste Verbindung hat. Das wird in aller Regel wegen der (deutschen) Staatsangehörigkeit beider Erblasser und dem Abschlussort (Deutschland) das deutsche Recht sein.
Rz. 59
Sieht das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt (bzw. eines der Aufenthaltsrechte) eine Regelung durch Erbvertrag nicht vor, oder ist das unklar, oder sind die Bindungswirkungen anders als nach deutschem Recht, empfiehlt sich die ausdrückliche Rechtswahl (sei es nur bezüglich der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkungen des Erbvertrages nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO, sei es in der – empfehlenswerten sicheren – Variante, dass zusätzlich das auf die Rechtsnachfolge anwendbare Erbrecht gewählt wird, Art. 22 ErbVO).
Muster 4.16: Formulierungsbeispiel zur umfassenden Rechtswahl beim zweiseitigen Erbvertrag
Muster 4.16: Formulierungsbeispiel zur umfassenden Rechtswahl beim zweiseitigen Erbvertrag
Die Erblasser besitzen ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit, haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt jedoch in _________________________ (bzw. der Erschienene zu 1 in _________________________ und der Erschienene zu 2 in _________________________). Diesen wollen sie auch dauerhaft beibehalten.
Für Fragen der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und der Bindungswirkungen dieses Erbvertrages wählen die Parteien deutsches Recht.
Die Erblasser wählen zusätzlich für die Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht.
Wenn gewünscht: Die Rechtswahlen sind vertragsmäßig angeordnet (zur Vertragsmäßigkeit der Rechtswahl vgl. auch Rn 55).
(Belehrung wie üblich)
3. Die Erblasser haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ein Erblasser hat die deutsche Staatsangehörigkeit, der andere nicht
Rz. 60
Ein Erbvertrag nach deutschem Recht kann geschlossen werden, selbst wenn weder das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasser noch das Recht der fremden Staatsangehörigkeit des nicht-deutschen Erblassers diesen kennt, sofern die Parteien gem. Art. 25 Abs. 3 ErbVO deutsches Recht wählen. Da für alle Beteiligten das Recht der Staatsangehörigkeit wählbar ist, welche auch nur einer der Beteiligten hat, steht beiden Erblassern das deutsche Recht offen. Zulässigkeit, Wirksamkeit und Bindungswirkungen unterliegen dann dem deutschen Recht.
Rz. 61
Für die Rechtsnachfolge von Todes wegen (Art. 22 ErbVO) kann deutsches Recht nur von dem deutschen Erblasser gewählt werden. Es ist zu überlegen, ob beide Parteien insofern von einer Rechtswahl Abstand nehmen. Das ist empfehlenswert, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben (allerdings wiederum mit dem Problem, dass dieses Recht dann die deutschen Regelungen des Erbvertrages umsetzen muss). Wählen die Parteien das anwendbare Recht (ihrer jeweiligen Staatsangehörigkeit) kommen insofern nochmals zwei unterschiedliche Rechte zum Zuge, sodass die Umsetzung nochmals erschwert wird. Auch bei solchen Konstellationen wird zukünftig die Frage zu klären sein, ob eine negative Rechtswahl vertragsmäßig verfügt werden kann (vgl. Rn 55).
Rz. 62
Insgesamt sollten die Parteien überlegen, ob sie wirklich eine Rechtsgestaltung nach deutschem Recht wünschen. Als Alternative bietet sich eine Regelung nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zumindest dann an, wenn der Aufenthalt beider Parteien in dem gleichen Staat liegt. In diesem Falle sollte der Notar die Parteien gegebenenfalls dahingehend beraten, dass zumindest zu überlegen ist, ob eine Beurkundung (und Beratung) durch einen Notar des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts vorgenommen werden sollte.
Soll dennoch ein deutscher Erbvertrag errichtet werden, muss eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO erfolgen
Muster 4.17: Formulierungsbeispiel zur erforderlichen Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 ErbVO
Muster 4.17: Formulierungsbeispiel zur erforderlichen Rechtswahl ...