Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 15
Die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 1979 BGB haben die Gläubiger als den Nachlasswert mindernd gegen sich gelten zu lassen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht.
Hinweis
Das bedeutet, dass der Erbe nicht ohne Weiteres die sich ihm offenbarenden Nachlassverbindlichkeiten eine nach der anderen befriedigen darf, bis der Nachlass aufgebraucht ist. Denn genügt der Nachlass nicht zur Deckung sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten, ist der Erbe gehalten, ein Nachlassinsolvenzverfahren einzuleiten, um die Gleichbehandlung der Nachlassgläubiger sicher zu stellen.
Rz. 16
Der Erbe hat daher die Pflicht, vor einer Zahlung an einen Nachlassgläubiger sorgfältig zu prüfen, welche Aktiva und Passiva im Nachlass vorhanden sind. Um dem nachzukommen, kann es erforderlich sein, die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB zu erheben (siehe hierzu § 9 Rdn 8 ff.), also auch ein Aufgebotsverfahren zu durchlaufen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass unbekannte Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind und die Kosten im Verhältnis zum Nachlasswert nicht unverhältnismäßig erscheinen, vgl. § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB.
Rz. 17
Geht der Erbe ohne eine entsprechend sorgfältige Prüfung von der Hinlänglichkeit des Nachlasses aus und begleicht Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass, so macht er sich schadensersatzpflichtig, wenn sich diese Einschätzung als falsch herausstellt (§§ 1978, 1979, 1980 BGB; siehe näher § 8 Rdn 66 ff.).
Das bedeutet, dass – so keine Anfechtung nach §§ 322, 129 ff. InsO oder nach §§ 2 ff. AnfG und damit eine Rückführung des an einen oder mehrere Gläubiger und damit eine Auffüllung des Nachlasses in Betracht kommt – der Schaden aus dem Eigenvermögen des Erben zunächst wieder dem Nachlass zuzuführen ist und sodann im Insolvenzverfahren gleichmäßig an die (sonstigen) Gläubiger verteilt wird.
Rz. 18
Hat der Erbe eine Nachlassverbindlichkeit aus seinem Eigenvermögen beglichen, so steht ihm kein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 1978 Abs. 3, 670 BGB zu; wohl aber aus §§ 1978 Abs. 3, 684 BGB. Im Falle der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens kann sich der Erbe gemäß § 326 Abs. 2 InsO anstelle des befriedigten Nachlassgläubigers bei der Masse regressieren, wobei er nur die Quote erhalten wird.
Rz. 19
Nur im Falle der Dürftigkeit des Nachlasses genügt es, wenn der Erbe den Nachlassgläubigern den Nachlass in beliebiger Reihenfolge überlässt.
Denn in diesem Fall ist der Erbe, der gemäß §§ 1990 ff. BGB selbst die Nachlassverwaltung übernehmen muss, bei der Befriedigung der Gläubiger an keine Reihenfolge gebunden. Hat der Erbe einen Gläubiger befriedigt, so sind die weiteren Gläubiger auf den Restnachlass verwiesen, wobei eine rechtskräftige Verurteilung gemäß § 1991 Abs. 3 BGB einer Befriedigung gleichsteht. Durch Konfusion erloschene Forderungen leben wieder auf, sodass der Erbe eigene Forderungen gegen den Erblasser aus dem Nachlass entnehmen muss und darf.
Rz. 20
Einzig Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen sind nachrangig und in der Rangfolge wie in der Insolvenz zu befriedigen, § 1991 Abs. 4 BGB, § 327 InsO, und zwar auch dann, wenn diese Gläubiger bereits einen Titel haben. Hält sich der Erbe nicht an diese Reihenfolge, so macht er sich schadensersatzpflichtig, §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1 BGB, soweit er den Nachlass nicht durch Kondiktion nach § 813 BGB wieder auffüllen kann.
Hinweis
Solchen Ansprüchen sollte der Erbe daher, wenn unbekannte Nachlassverbindlichkeiten zu befürchten sind, die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB entgegenhalten, bis das Aufgebotsverfahren durchlaufen ist. Sodann hat der Erbe zunächst die Forderungen der Nachlassgläubiger – inkl. seiner eigenen gegen den Erblasser oder nach §§ 1978 Abs. 3, 670 BGB bestehenden – und erst danach die der Pflichtteilsberechtigten (§ 327 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und zuletzt die der Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten (§ 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO) zu erfüllen.