Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 3
Alles, was der Erbe nunmehr noch erreichen kann, ist seine Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten auf die Vermögensmasse Nachlass zu beschränken. Hierzu ist Folgendes erforderlich:
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Es muss sich um eine Schuld handeln, bezüglich derer eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass möglich ist (siehe hierzu Rdn 4 ff.). |
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Der Erbe muss aufpassen, dass er die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken, nicht verliert (siehe hierzu Rdn 5 ff.). |
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Die Vermögen Nachlass und Eigenvermögen müssen wieder voneinander getrennt werden (siehe hierzu Rdn 8 ff.). |
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Der Erbe muss den Nachlass ordnungsgemäß für die Nachlassgläubiger verwalten (siehe hierzu Rdn 11 ff.) und |
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die im Einzelfall geeignete Haftungsbeschränkungsmaßnahme in materieller und prozessualer Hinsicht ordnungsgemäß herbeiführen (siehe hierzu Rdn 21 ff.). |
Hinweis
Der Erbe als Schuldner muss also tätig werden, um seine Haftung mit seinem Eigenvermögen auszuschließen und die Nachlassgläubiger auf den Nachlass zu verweisen. Einen Automatismus dahingehend, dass der Erbe für Verbindlichkeiten des Erblassers stets nur mit dem geerbten Vermögen haftet, sieht das deutsche Recht nicht vor.
I. Nachlassverbindlichkeit
Rz. 4
Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ist im Außenverhältnis nur bei reinen Nachlassverbindlichkeiten möglich (siehe hierzu näher § 5).
II. Kein Verlust der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit
Rz. 5
Die Gefahr des Verlustes der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit wird oft überbewertet. Der Erbe kann die ihm vom Gesetz zugestandene Haftungsbeschränkungsmöglichkeit letztlich nur in zwei Zusammenhängen verlieren:
1. Zum einen kann der Erbe die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit im Zusammenhang mit der Inventarisierung nach §§ 1993 ff. BGB verlieren; hier aber auch nur bei ganz bestimmten pflichtwidrigen Verhaltensweisen:
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So darf der Erbe eine ihm vom Nachlassgericht auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzte Inventarfrist nicht versäumen (§ 1994 Abs. 1 S. 2 BGB). |
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Er darf in das Inventar keine nicht bestehenden Nachlassverbindlichkeiten aufnehmen, in der Absicht, die Nachlassgläubiger zu benachteiligen, und das Inventar darf keine erheblichen Unvollständigkeiten aufweisen in Bezug auf die im Inventar enthaltenen Nachlassgegenstände (§ 2005 Abs. 1 S. 1 BGB, sog. Inventaruntreue). |
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Der Erbe darf im Falle einer amtlichen Aufnahme eines Inventars die ihm obliegende Auskunft nicht verweigern oder absichtlich erheblich verzögern (§§ 2003, 2005 Abs. 1 S. 2 BGB, sog. Inventarversäumung). |
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Auf Verlangen eines Nachlassgläubigers gemäß § 2006 Abs. 3 BGB darf er die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht verweigern. |
Rz. 6
2. Zum anderen kann der Erbe die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit im Rahmen der prozessualen Durchsetzung oder sonstigen Titulierung der Forderung der Nachlassgläubiger verlieren: Erlangt ein Nachlassgläubiger einen vorbehaltlosen Titel gegen den Erben (siehe § 780 Abs. 1 ZPO), so ist die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit gegenüber diesem Gläubiger grds. irreversibel verloren (siehe hierzu ausführlich § 6).
Hinweis
Dies gilt nicht nur für Urteile, sondern auch für alle anderen Titel, wie solcher aus § 794 Abs. 1 ZPO (siehe näher § 11 Rdn 27).
Rz. 7
3. Schließlich kann der Erbe auf die Beschränkung seiner Haftung gegenüber einzelnen Nachlassgläubigern verzichten.
Hinweis
Dies kann auch konkludent, z.B. durch einen Vergleich mit Ratenzahlungsvereinbarung geschehen.
III. Erneute Trennung der Vermögensmassen
Rz. 8
Die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass kann nur gelingen, wenn die Verschmelzung der Vermögensmassen, die zur unbeschränkten Haftung geführt hat (siehe oben § 2 Rdn 9), wieder rückgängig gemacht wird. Hierzu sieht das Gesetz zwei verschiedene Wege vor:
1. Förmliche Verfahren mit faktischer Vermögenstrennung durch externen Verwalter
Rz. 9
Zum einen stellt das Gesetz mit der Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff., 1981 ff. BGB) und der Nachlassinsolvenz (§ 1980 BGB, §§ 315 ff. InsO) zwei förmliche Verfahren zur Verfügung, die eine faktische Trennung der Vermögensmassen Nachlass und Eigenvermögen durch einen externen Verwalter herbeiführen (siehe hierzu näher § 8). In beiden Fällen geht die Verfügungsgewalt über die Nachlassgegenstände vom Erben weg auf den Nachlass(insolvenz)verwalter über. Dieser nimmt den Nachlass in Besitz. Beide Verfahren führen zu einer endgültigen gegenständlichen Haftungsbeschränkung gegenüber allen Nachlassgläubigern.
Hinweis
Auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung durch den Erblasser führt zu einer Gütersonderung. In diesem Fall können die Gläubiger jedoch sowohl gegen den Testamentsvollstrecker als auch gegen den oder die Erben vorgehen, § 2213 Abs. 1 BGB. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung bewirkt also nicht, dass den Nachlassgläubigern nur der Nachlass als Haftungsmasse zur Verfügung steht; sie schützt vielmehr...