Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 21
Die Annahme kann erst nach Eintritt des Erbfalls erklärt werden. Eine besondere Form ist auch hierfür nicht erforderlich, weshalb sie auch konkludent erfolgen kann. Wird vom Pflichtteilsberechtigten das Vermächtnis eingefordert oder aber stillschweigend entgegengenommen, so kann hierin eine schlüssige Annahme liegen. Dies gilt aber nicht, wenn der Testamentsvollstrecker für den Pflichtteilsberechtigten handelt, da das Verhalten des Vollstreckers wegen der Höchstpersönlichkeit der Annahmeentscheidung nicht zu Lasten des Berechtigten diesem zugerechnet werden darf. Die Annahme ist bedingungsfeindlich, weshalb eine Annahme unter einem Vorbehalt, etwa der "Geltendmachung des vollen Pflichtteilsanspruchs", nicht zulässig sein soll. Zutreffend ist insoweit, dass die Annahme bedingungsfeindlich ist. Eine entsprechende Erklärung kann jedoch zum Ausdruck bringen, dass der Pflichtteilsberechtigte sich bezüglich der Annahme oder Ausschlagung des Vermächtnisses noch nicht entschieden hat, so dass sein Verlangen nach dem Pflichtteilsrestanspruch weder als Annahme noch als Ausschlagung des Vermächtnisses ausgelegt werden kann. Aufgrund der fehlenden Verweisung des § 2180 Abs. 3 BGB auf § 1944 BGB besteht keine gesetzliche Frist für die Annahme, jedoch kann dem Pflichtteilsberechtigten eine solche nach § 2307 Abs. 2 BGB gesetzt werden (siehe Rdn 32 ff.).
Rz. 22
Die Wirkung der Annahme besteht nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB darin, dass damit der Pflichtteilsberechtigte
▪ |
das Vermächtnis endgültig erwirbt, |
▪ |
aber den Pflichtteilsanspruch insoweit verliert, als dieser durch das Vermächtnis gedeckt wird; er erhält also allenfalls nur einen Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB, soweit nicht im Einzelfall auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) besteht. |
Rz. 23
Für den Vermächtnisanspruch gelten die allgemeinen Bestimmungen über Vermächtnisse, so dass sich die Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 195 ff. BGB) bestimmt, das Rangverhältnis bei Insolvenz nach § 327 Abs. 2 S. 1 InsO mit einem Gleichrang mit dem Pflichtteilsanspruch, soweit diesen nicht übersteigend; jedoch besteht kein Pfändungsschutz wie für den Pflichtteilsanspruch nach § 852 ZPO. Eine wirtschaftliche Verschlechterung des mit dem Vermächtnis Beschwerten berechtigt diesen nicht, das Vermächtnis zu kürzen, doch soll er u.U. dann berechtigt sein, eine Stundung zu verlangen, was teilweise auf eine Analogie zu § 2331a BGB gestützt wird. Die Vermächtnislast für das angenommene Vermächtnis trägt in Höhe des erlangten Vorteils derjenige, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher oder gewillkürter Erbe geworden ist (§ 2320 Abs. 1, 2 BGB).
Rz. 24
Nach der Annahme ist eine Ausschlagung des Vermächtnisses nicht mehr möglich und damit ist ein einfacher Wechsel zum Pflichtteilsanspruch verwehrt. Dies gilt auch dann, wenn der mit dem Vermächtnis Beschwerte zahlungsunfähig ist oder ein Anspruch aus anderen Gründen gegen ihn nicht durchgesetzt werden kann. Nur im Einzelfall wird eine Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB helfen können.
Rz. 25
Der Pflichtteilsrestanspruch besteht nur, soweit der Wert des Vermächtnisses hinter dem Pflichtteil zurückbleibt, also diesen nicht deckt (§ 2307 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB). Im Einzelnen gilt dabei:
Rz. 26
Der Pflichtteilsrestanspruch bemisst sich konkret unter Berücksichtigung von Anrechnungs- und Ausgleichungsbestimmungen (Werttheorie). Nimmt der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner bei einer Zugewinngemeinschaft das ihm hinterlassene Vermächtnis an, so richtet sich sein Pflichtteilsrestanspruch nach dem großen Pflichtteil, der sich nach dem gem. § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Ehegattenerbteil bestimmt.
Rz. 27
Das Vermächtnis ist dabei grundsätzlich mit dem Verkehrswert (Schätzwert) im Zeitpunkt des Erbfalls anzusetzen. Für die Bewertung gelten daher die §§ 2311–2313 BGB. An einen anderen vom Erblasser verfügten Anrechnungswert ist der Pflichtteilsberechtigte bei Annahme des Vermächtnisses gebunden, denn diese Bestimmung ist Teil der Zuwendung (Untervermächtnis) und er hätte sie nicht annehmen müssen. Schlägt er jedoch aus, so verliert die Anrechnungsbestimmung ihre Gültigkeit, insb. für den dann in voller Höhe bestehenden Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteilsrestanspruch soll auch entfallen, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein Vermächtnis in Kenntnis der letztwilligen Bestimmung annimmt, wonach durch diese Zuwendung "alle Erb- und Pflichtteilsansprüche abgefunden sind". Zulässig ist es, ein hinter dem Pflichtteil zurückbleibendes Vermächtnis unter der aufschiebenden Bedingung anzuordnen, dass der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteilsrest verzichtet, oder unter der auflösenden Bedingung, dass er den Pflichtteilsrest verlangt.
Rz. 28
Wichtig ist, dass Beschränkungen und Beschwerungen i.S.v. § 2306 BGB, mit denen das Vermächtnis behaftet ist, bei der Bewertung des Vermächtnisses ausdrücklich nicht berücksichtigt werden (§ 2307 Abs. 1 S. 2 H...