Rz. 18
Besteht der behauptete Fehler des Beraters in einer Unterlassung, wird dem Kläger ebenfalls die Beweislast aufgebürdet, obwohl es insoweit um eine negative Tatsache geht. Unabhängig davon, ob ein notwendiger Hinweis in fehlerhafter Weise gegeben oder gänzlich versäumt wurde, handelt es sich jeweils um eine Vertragsverletzung. Schon deshalb kann nicht danach differenziert werden, ob dem Anwalt eine fehlerhafte Maßnahme oder eine Unterlassung vorgeworfen wird. Daher trifft den Mandanten auch die Beweislast dafür, dass der Rechtsanwalt seiner Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachgekommen ist.
Rz. 19
Das berechtigte Interesse des Auftraggebers, mit seiner Klage nicht infolge unerfüllbarer Beweisanforderungen zu scheitern, wird vielmehr dadurch gewahrt, dass das Bestreiten des Beraters nur erheblich ist, wenn er konkret darlegt, wie die Betreuung ausgesehen hat, die er erbracht haben will. Der rechtliche Berater kann sich also nicht damit begnügen, den erhobenen Vorwurf zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend informiert und beraten. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung schildern, insb. konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Beklagte Rechtsnachfolger der Person ist, welche die Pflichtverletzung begangen haben soll. Der Rechtssatz, dass ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig ist, wenn die Partei alle ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen über den fraglichen Vorgang erfolgslos ausgeschöpft hat, findet in diesem Sonderfall des Bestreitens einer negativen Tatsache keine Anwendung. Wird dem Anwalt vorgeworfen, den Mandanten nicht auf den Ablauf der Verjährung hingewiesen zu haben, ist die Darlegungs- und Beweislast ebenfalls in der beschriebenen Weise zu verteilen.
Rz. 20
Die Anforderungen an die Substanziierung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Keinesfalls wird verlangt, dass der Rechtsanwalt die Gespräche mit dem Mandanten nach Ort und Zeit genau einordnet. Grds. genügt die nähere Erläuterung, wie er die von ihm jeweils geschuldete Pflicht erfüllt haben will. Ist dies geschehen, muss der klagende Mandant die von seinem früheren Berater gegebene Schilderung widerlegen. Genügt die Darlegung des Anwalts den genannten Anforderungen nicht, hat dies zur Folge, dass auch nach dem Vorbringen des Anwalts von einer Pflichtverletzung auszugehen ist.
Macht der Anwalt etwa im Regressprozess geltend, er habe den Mandanten darauf hingewiesen, dass die ihm zur Prüfung übergebene Bürgschaftsurkunde völlig untauglich und nicht in Ordnung sei, so genügt dies zur Darlegung einer pflichtgemäßen Beratung nicht. Vielmehr muss der Anwalt dem Mandanten aufzeigen, an welchen Mängeln die Bürgschaftsurkunde leidet. Nur so kann dieser erkennen, unter welchen Voraussetzungen er die begehrte Sicherheit erhält.
Rz. 21
Die von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen sind notwendig, weil anderenfalls das Unterlassen gebotener Belehrung und Aufklärung praktisch nicht zu beweisen und damit das Gebot der Waffengleichheit im Prozess verletzt wäre. Der Anwalt wird nicht unzumutbar belastet; er hat die Möglichkeit, den Inhalt der Beratung durch einen Aktenvermerk festzuhalten und sich so geeignetes Material zur Auffrischung seiner Erinnerung zu verschaffen. Zwar obliegt ihm dem Mandanten ggü. keine Dokumentationspflicht (vgl. § 2 Rdn 390). Jedoch ist es nicht unbillig, wenn der Anwalt Nachteile zu tragen hat, die daraus entstehen, dass er nicht in geeigneter Weise zur Wahrung seiner eigenen Interessen vorgesorgt hat. Die vom BGH vertretene Auffassung hat daher auch im Schrifttum Zustimmung gefunden.
Rz. 22
Hat das für die Beweiswürdigung maßgebliche Gespräch zwischen dem Mandanten und dem Anwalt unter vier Augen stattgefunden, muss der Tatrichter beide Parteien entweder nach § 141 ZPO anhören oder gem. § 448 ZPO vernehmen. In Berufshaftungssachen ist eine solche Anhörung oder Vernehmung beider Parteien jedenfalls dann generell geboten, um Feststellungen über den Inhalt und Ablauf streitiger Gespräche treffen zu können, wenn keine weiteren Beweismittel dazu vorliegen.
Rz. 23
Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt ist die Frage, ob der Anwalt sich auch mit dem Einwand verteidigen kann, er erinnere sich nicht mehr an den Vorgang, habe jedoch in vergleichbaren Situationen immer einen bestimmten Rat erteilt und werde dies deshalb auch im konkreten Fall getan haben. In der Literatur wird dies unterschiedlich beurteilt. Während Greger ein solches Vorbringen für rechtlich unbeachtlich hält, befürwortet Fahrendorf eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige rechtliche Bewertung. Einen entsprechenden Einwand des Anwalts wird man i.d.R. nur dann als erheblich behandeln dürfen, wenn er im Einzelnen dargelegt hat, worin seine Beratung in solchen Fällen immer besteht und aus welchen Grün...