I. Einführung
Rz. 1
Jeder vertragliche Schadensersatzanspruch des Mandanten setzt voraus, dass der Anwalt eine aus der getroffenen Vereinbarung folgende Pflicht verletzt hat und sich sein Handeln als rechtswidrig und schuldhaft erweist. Diese drei Merkmale sind zwar rechtstheoretisch klar zu unterscheiden, lassen sich jedoch im Einzelfall oftmals nur schwer voneinander abgrenzen.
Rz. 2
Die Praxis befasst sich damit in aller Regel nicht, weil das Problem im Allgemeinen keine entscheidungserhebliche Bedeutung gewinnt. Dies gilt in besonderem Maße für die Unterscheidung von Pflichtverletzung und Rechtswidrigkeit.
Rz. 3
Dem wird nachfolgend dadurch Rechnung getragen, dass die wesentlichen Fragen aus diesen beiden Bereichen unter dem Begriff der Pflichtwidrigkeit zusammenfassend dargestellt werden.
Rz. 4
An die Stelle der nach altem Recht maßgeblichen Rechtsfigur der positiven Vertragsverletzung ist der Begriff der Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) getreten. Er bildet nunmehr die zentrale Kategorie für ein nicht den vertraglichen Anforderungen entsprechendes Verhalten des Rechtsberaters. Da der Begriff im Grundsatz alle vertraglichen Störungen erfasst, die bisher von der positiven Vertragsverletzung abgedeckt wurden (vgl. § 3 Rdn 3), sind Pflichtwidrigkeit und Verschulden auch im neuen Schuldrecht nach den bisher geltenden Regeln und Maßstäben zu prüfen.
II. Objektiver Sorgfaltsmaßstab
Rz. 5
Nach einer in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung ist bei der rechtlichen Wertung, ob ein Pflichtenverstoß vorliegt, von einem Höchstmaß an objektiv möglicher Sorgfalt auszugehen. Diese Anforderungen seien dann i.R.d. Verschuldensprüfung auf die von einem gewissenhaften Durchschnittsanwalt zu fordernde Sorgfalt herabzusetzen. Nur so gelange man zu einer nachvollziehbaren Trennung zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld und vermeide die Gefahr, eine verschuldensunabhängige Haftung zu begründen.
Rz. 6
Diese Auffassung ist jedoch rechtlich nicht haltbar. Die Pflichten des Anwalts bestimmen sich nach dem konkreten Mandat, richten sich also nach dem Inhalt der jeweils getroffenen Vereinbarung. Der Anwalt hat schon objektiv, wie jeder andere Schuldner, nicht mehr zu leisten als das, was sein Vertragspartner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) erwarten darf. Bei Geschäftsbesorgungsverträgen hat der Auftraggeber nur Anspruch auf eine Art der Erledigung, die den im Verkehr anerkannten Leistungsmaßstäben der Berufsgruppe entspricht, zu der der Schuldner gehört. Schon der Inhalt der objektiv geschuldeten Pflicht ist daher nicht an einem Ideal, sondern an einem gewissenhaft handelnden, die allgemein anerkannten Maßstäbe der Berufsausübung einhaltenden Anwalt auszurichten. Dies ist die Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ohne dass diese Frage jemals besonders vertieft worden wäre. Die neue Rechtsprechung begnügt sich deshalb i.d.R. damit, auf die Einhaltung der allgemeinen Standards, wie etwa die Wahl des relativ sichersten Weges, die notwendige rechtliche Belehrung oder das Aufzeigen der konkreten Risiken, zu verweisen, und bejaht eine Pflichtverletzung bei einem Leistungsmangel in einem oder mehreren dieser Bereiche.
Rz. 7
Kommt es somit darauf an, was der Auftraggeber, bezogen auf den Inhalt der dem rechtlichen Berater übertragenen Aufgaben, allgemein von jedem gewissenhaften und sorgfältigen Anwalt erwarten durfte, haben bei Prüfung der Pflichtwidrigkeit einzelfallbezogene Umstände, die es ausnahmsweise zweifelhaft erscheinen lassen, ob dem Anwalt die Einhaltung der grds. gebotenen Maßstäbe möglich und zumutbar war, außer Betracht zu bleiben. Sie gewinnen rechtliche Bedeutung erst i.R.d. Verschuldens. Dem objektiven Maßstab entspricht es, dass die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit vom Standpunkt einer Ex-post-Betrachtung zu erfolgen hat.
III. Pflicht-/Rechtswidrigkeit
Rz. 8
Da der Anwalt regelmäßig keinen Erfolg, sondern nur eine bestimmte Tätigkeit schuldet und deren Umfang sowie die Art der Ausführung vom Inhalt des Vertrages abhängen, indiziert die Feststellung der Pflichtwidrigkeit die Rechtswidrigkeit des vertraglichen Verhaltens. Beide Begriffe sind zwar nicht gleichzusetzen, weil der Anwalt trotz Verletzung einer dem Mandanten geschuldeten Pflicht nicht rechtswidrig gehandelt hat, wenn ihm ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stand. In der Rechtspraxis kommen solche Fälle aber nur äußerst selten vor. Im Regelfall steht also mit der Pflichtverletzung die Rechtswidrigkeit...