Rz. 5

Nach einer in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung ist bei der rechtlichen Wertung, ob ein Pflichtenverstoß vorliegt, von einem Höchstmaß an objektiv möglicher Sorgfalt auszugehen.[1] Diese Anforderungen seien dann i.R.d. Verschuldensprüfung auf die von einem gewissenhaften Durchschnittsanwalt zu fordernde Sorgfalt herabzusetzen. Nur so gelange man zu einer nachvollziehbaren Trennung zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld und vermeide die Gefahr, eine verschuldensunabhängige Haftung zu begründen.

 

Rz. 6

Diese Auffassung ist jedoch rechtlich nicht haltbar.[2] Die Pflichten des Anwalts bestimmen sich nach dem konkreten Mandat, richten sich also nach dem Inhalt der jeweils getroffenen Vereinbarung. Der Anwalt hat schon objektiv, wie jeder andere Schuldner, nicht mehr zu leisten als das, was sein Vertragspartner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) erwarten darf. Bei Geschäftsbesorgungsverträgen hat der Auftraggeber nur Anspruch auf eine Art der Erledigung, die den im Verkehr anerkannten Leistungsmaßstäben der Berufsgruppe entspricht, zu der der Schuldner gehört. Schon der Inhalt der objektiv geschuldeten Pflicht ist daher nicht an einem Ideal, sondern an einem gewissenhaft handelnden, die allgemein anerkannten Maßstäbe der Berufsausübung einhaltenden Anwalt auszurichten.[3] Dies ist die Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ohne dass diese Frage jemals besonders vertieft worden wäre.[4] Die neue Rechtsprechung begnügt sich deshalb i.d.R. damit, auf die Einhaltung der allgemeinen Standards, wie etwa die Wahl des relativ sichersten Weges, die notwendige rechtliche Belehrung oder das Aufzeigen der konkreten Risiken, zu verweisen, und bejaht eine Pflichtverletzung bei einem Leistungsmangel in einem oder mehreren dieser Bereiche.[5]

 

Rz. 7

Kommt es somit darauf an, was der Auftraggeber, bezogen auf den Inhalt der dem rechtlichen Berater übertragenen Aufgaben, allgemein von jedem gewissenhaften und sorgfältigen Anwalt erwarten durfte, haben bei Prüfung der Pflichtwidrigkeit einzelfallbezogene Umstände, die es ausnahmsweise zweifelhaft erscheinen lassen, ob dem Anwalt die Einhaltung der grds. gebotenen Maßstäbe möglich und zumutbar war, außer Betracht zu bleiben. Sie gewinnen rechtliche Bedeutung erst i.R.d. Verschuldens. Dem objektiven Maßstab entspricht es, dass die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit vom Standpunkt einer Ex-post-Betrachtung zu erfolgen hat.[6]

[1] Raiser, NJW 1991, 2049, 2053; Henssler, JZ 1994, 178, 182; Medicus, AnwBl. 2004, 257, 261.
[2] Ebenso Borgmann/Jungk/Schwaiger, Kap. V Rn 23; Fahrendorf, in: Fahrendorf/Mennemeyer, Rn 749; Greger, in: Vollkommer/Greger/Heinemann, § 17 Rn 7 f.
[3] Vgl. BGH, 27.3.2003 – I X ZR 399/99, WM 2003, 1146 1149; BGH, 12.11.2013 – VI ZB 4/13, NJW 2014, 700.
[4] Vgl. BGH, NJW 1987, 1322, 1323; BGH, NJW 1988, 706, 707.
[5] Vgl. BGHZ 97, 372, 376 = NJW 1986, 2043, 2044; BGH, NJW-RR 1990, 1241, 1243; BGH, NJW 1992, 1159, 1160; BGH, NJW 1995, 2550, 2551; BGH, NJW 1996, 2648, 2649 f.
[6] Borgmann/Jungk/Schwaiger, Kap. V Rn 20.

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