1. Grundlagen
Rz. 13
Der Mandant muss die anwaltliche Pflichtverletzung als Voraussetzung seines Regressanspruchs – wie jeder Kläger, der Ansprüche aus Vertragsverletzung geltend macht – beweisen. Das gilt grds. unabhängig davon, welche Vorwürfe gegen den Anwalt erhoben werden, also für Beratungsfehler ebenso wie für unzulängliche Sachaufklärung oder ungeeignete prozessuale Maßnahmen. Da die Pflichtverletzung zur haftungsbegründenden Kausalität gehört, ist nach § 286 ZPO zu beurteilen, ob der Beweis geführt ist. Dabei geht es in diesem Zusammenhang nur um die Feststellung, ob er von dem Verstoß so betroffen war, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten.
Rz. 14
Hängt die Frage, ob der Anwalt seinen Vertragspflichten nicht gerecht geworden ist, vom Umfang des Mandats ab und besteht über diese Frage Streit, so trifft auch in diesem Punkt die Beweislast den Kläger. Macht er geltend, er habe den Auftrag wegen einer Pflichtverletzung des Anwalts beendet, oder dessen Vertragsverstoß liege gerade darin, dass er den Anwaltsvertrag zur Unzeit gekündigt habe, gilt dasselbe.
Rz. 15
Liegen vom Anwalt verfasste Schriftstücke vor, die, für sich genommen, fehlerhaft sind, stellt sich die Frage, welche beweisrechtlichen Folgen dies nach sich zieht. Der BGH hatte folgenden Fall zu entscheiden:
Zitat
Der Anwalt hatte eine unzulängliche schriftliche Stellungnahme zum Prozessrisiko verfasst und dem Mandanten ausgehändigt, ohne sie in dem Schriftstück als unvollständig zu kennzeichnen oder sich dort eine spätere Ergänzung vorzubehalten. Der Anwalt behauptete jedoch im Regressprozess, er habe im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dieser Stellungnahme diese mündlich so erläutert, dass dem Mandanten die Sach- und Rechtslage insgesamt zutreffend dargestellt worden sei. Der BGH ließ es bei der allgemeinen Beweislastregel bewenden, weil der Anwalt sonst gezwungen sei, die unvollständige schriftliche Stellungnahme zurückzurufen oder sich vom Mandanten eine Bestätigung über die Belehrung ausstellen zu lassen, was das Vertrauensverhältnis unzumutbar belaste. Ob diese Frage anders zu beurteilen ist, wenn der Anwalt behauptet, erst später alles richtiggestellt zu haben, wurde in der Entscheidung offengelassen.
Rz. 16
Ein wegen Einreichung einer unzulässigen Klage in Anspruch genommener Steuerberater berief sich darauf, der Auftraggeber habe ihm nach umfassender Belehrung einen entsprechenden Auftrag erteilt. Auch in diesem Fall hat der BGH nicht entschieden, ob der Berater dann beweisen muss, seinen Auftraggeber über die Aussichtslosigkeit der Sache hinreichend belehrt und die Klage nur deshalb erhoben zu haben, weil ihm eine entsprechende Weisung gegeben wurde; denn der Klage war schon aus anderen Gründen stattzugeben. Die Frage ist folglich bisher in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt.
Rz. 17
Grds. tritt in entsprechenden Fällen keine Umkehr der Beweislast ein. Die in Betracht kommenden Sachverhalte sind nahezu unübersehbar. Das dem jeweiligen Schriftstück zu entnehmende Indiz für ein anwaltliches Fehlverhalten kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Schon deshalb wäre eine generelle Verschiebung der Beweislast auf den Anwalt in solchen Fällen nicht sachgerecht. Sie würde nicht zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Streitparteien führen. Auf der anderen Seite darf nicht unberücksichtigt bleiben, wenn der Anwalt mit einer unzulässigen oder unschlüssigen Klage ebenso wie mit einer als solche fehlerhaften schriftlichen Belehrung zurechenbar zumindest den Anschein einer Pflichtverletzung begründet hat. In solchen Fällen liegt es nahe, mit dem prima-facie-Beweis zu arbeiten. Der Anwalt muss also Tatsachen darlegen und beweisen, die es möglich erscheinen lassen, dass er gleichwohl seine vertraglichen Aufgaben korrekt erfüllt hat. Erst wenn ihm dies gelingt, obliegt es dem Mandanten, den vollen Beweis der Pflichtverletzung zu führen. Steht eine Pflichtverletzung positiv fest, die ihrer Art nach geeignet war, den eingetretenen Schaden zu verursachen, hat der Anwalt aus von ihm zu vertretenden Umständen für den Mandanten die Gefahr eines vermögensrechtlichen Nachteils hervorgerufen. Dann ist es geboten, dass derjenige, der behauptet, die Gefahr nachträglich beseitigt zu haben, für diese Behauptung die Beweislast trägt. In solchen – sicher seltenen – Fällen ist daher eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Mandanten geboten.