Rz. 82
Gem. § 56 HGB gilt derjenige, der in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Die rechtliche Natur des § 56 HGB ist umstritten. Nach wohl überwiegender Auffassung begründet die Vorschrift im Interesse des Verkehrsschutzes eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung für die Erteilung und den Umfang einer Vollmacht des Angestellten in einem Laden oder Warenlager.
Rz. 83
§ 56 HGB geht von der Kaufmannseigenschaft (vgl. hierzu § 1 Rdn 8 ff.) des Ladeninhabers aus. Die Vorschrift ist nach herrschender Meinung aber auch auf Kleingewerbetreibende analog anwendbar. Unter einem Laden oder einem offenen Warenlager ist eine dem Publikum frei zugängliche Verkaufsstätte zu verstehen, die zum Abschluss von Geschäften bestimmt ist. Es kommt nicht darauf an, ob diese dazu besonders ausgestattet ist.
Beispiele
Einzelhandelsgeschäft, Selbstbedienungsmarkt, Autohaus, Warenhaus oder ein Großhandelslager, in dem auch privat verkauft wird.
Nicht unter § 56 HGB fallen dagegen Kontor-, Büro- oder Fabrikräume, sofern dort nicht auch Verkaufsgeschäfte vorgenommen werden.
Rz. 84
Angestellter ist jeder, der in dem Laden oder Warenlager mit Wissen und Wollen des Inhabers an der Verkaufstätigkeit mitwirkt. Gleichgültig ist dabei, welche Aufgaben und Pflichten er i.Ü. in dem Unternehmen des Inhabers wahrnimmt oder ob es sich z.B. um einen Freund oder Familienangehörigen handelt. Kein Angestellter i.S.d. § 56 HGB ist dagegen, wer ohne Wissen und Wollen des Inhabers im Laden oder Warenlager mit dem Publikum verkehrt oder nicht zu Verkaufszwecken dort tätig ist, z.B. Reinigungskraft, Packer.
Hinweis
Verhindert der Inhaber ein Tätigwerden dieser Personen beim Verkauf nicht, kommt eine allgemeine Anscheinsvollmacht in Betracht.
Rz. 85
Der Umfang der Vollmacht erstreckt sich auf Verkäufe und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Dies richtet sich insb. nach der Branche, dem Ladentyp und dem Geschäft. Die Vollmacht zu "Verkäufen" umfasst regelmäßig auch die Befugnis zur Gewährung von Preisnachlässen. Ankäufe durch den Angestellten werden dagegen nicht von § 56 HGB erfasst. I.Ü. muss zwischen dem Laden bzw. Warenlager und dem Geschäftsabschluss ein örtlicher Zusammenhang bestehen, d.h. zumindest der Abschluss des Geschäfts muss im Laden bzw. Warenlager angebahnt sein. § 54 Abs. 3 HGB (Gutgläubigkeit des Geschäftspartners) ist auf die Vertretungsmacht des Ladenangestellten analog anwendbar.
Hinweis
Die Vollmacht kann z.B. durch ein Hinweisschild im Laden mit der Aufschrift "Zahlung nur an der Kasse" ausgeschlossen werden. Für den Ausschluss der Gutgläubigkeit genügt es dagegen nicht, wenn in einem Autohaus ein Kassenbereich ohne entsprechendes Hinweisschild eingerichtet ist, da bei einem Autokauf im Regelfall der gesamte Verkaufsprozess zwischen Kunden und Angestellten abläuft.