1. Gesamtprokura
a) Echte Gesamtprokura
Rz. 24
Mehrere Prokuristen können in der Weise bestellt werden, dass jeder allein vertretungsberechtigt ist. Gem. § 48 Abs. 2 HGB kann die Prokura aber auch mehreren Personen gemeinschaftlich erteilt werden (sog. echte Gesamtprokura). In einem solchen Fall gelten für die Vertretung durch die Gesamtprokuristen die Grundsätze des BGB über die Gesamtvertretung. Die Gesamtprokuristen müssen also grds. bei jedem Geschäft gemeinschaftlich tätig werden.
Das gemeinsame Handeln muss nicht notwendigerweise zeitgleich erfolgen. Ausreichend ist, wenn sie nacheinander tätig werden, also der andere später genehmigt. Bis dahin handelt der allein auftretende Gesamtprokurist als Vertreter des Geschäftsherrn ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff. BGB). Ungeachtet der Genehmigung des vertretenen Prokuristen ist immer auch eine Genehmigung durch den Geschäftsherrn selbst oder einen allein vertretungsberechtigten Prokuristen möglich.
Rz. 25
Ein Gesamtprokurist kann den anderen auch für bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften zum Handeln für beide ermächtigen. Eine generelle Einwilligung in die Vornahme sämtlicher Rechtsgeschäfte würde auf die Erteilung einer Einzelprokura hinauslaufen und ist daher nicht zulässig. Selbstkontrahieren untereinander ist den Gesamtprokuristen ebenfalls regelmäßig verboten (§ 181 BGB).
Für die passive Vertretung, d.h. bei der Entgegennahme von Willenserklärungen (§ 164 Abs. 3 BGB), genügt in Gesamtanalogie zu den § 28 Abs. 2 BGB, § 124 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 HGB, § 78 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 25 Abs. 1 Satz 3 GenG die Entgegennahme durch einen der Prokuristen.
Rz. 26
Möglich ist auch neben einem zur Einzelvertretung ermächtigten Prokuristen einen Gesamtprokuristen zu bestellen (sog. halbseitige Gesamtprokura). In einem solchen Fall darf der Gesamtprokurist nur zusammen mit dem Einzelprokurist handeln (Ausnahme: passive Vertretung), während der Einzelprokurist zur alleinigen Vertretung berechtigt ist.
b) Unechte Gesamtprokura
Rz. 27
Die Vertretungsmacht des Prokuristen kann auch an die Mitwirkung organschaftlicher Vertreter, wie z.B. eines vertretungsberechtigten Gesellschafters, Geschäftsführers oder Vorstandes, gebunden werden. Da die Prokura in einem solchen Fall jedoch nicht mehreren Personen gemeinschaftlich erteilt wird, liegt keine Gesamtprokura i.S.d. § 48 Abs. 2 HGB vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelprokura, die nur in der Form einer Gesamtvertretung zusammen mit einer zur gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft berufenen Person ausgeübt werden kann (sog. unechte oder gemischte Prokura).
Rz. 28
Gesetzlich geregelt ist die Möglichkeit der Bindung eines Gesellschafters bzw. Vorstandes an die Mitwirkung eines Prokuristen in § 124 Abs. 3 HGB, § 78 Abs. 3 AktG bzw. § 25 Abs. 2 GenG. Der Umfang der Gesamtvertretungsbefugnis richtet sich in diesen Fällen nach der Vertretungsmacht des Gesellschafters, Geschäftsführers bzw. Vorstandsmitgliedes. Die unechte Gesamtprokura führt dementsprechend zu einer Erweiterung des Umfangs der Prokura. Gemeinsam mit dem Gesellschafter kann der Prokurist daher z.B. uneingeschränkt Grundstücksgeschäfte tätigen oder andere Prokuristen bestellen. Diese sog. unechte oder gemischte Gesamtvertretung kann auch parallel zu einer unechten oder gemischten Prokura (Rdn 27) erteilt werden.
Rz. 29
Zulässig ist es auch, die Prokura dergestalt zu erteilen, dass der Prokurist an die Mitwirkung eines selbst nur gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafters gebunden ist (sog. gemischt halbseitige Gesamtprokura). Notwendig ist stets, dass neben der Gesamtvertretung mit dem Prokuristen die Möglichkeit der Vertretung durch die Gesellschafter, Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder ohne den Prokuristen besteht.
Rz. 30
Nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft ist demzufolge eine ausschließliche Gesamtvertretung des einzigen vertretungsberechtigten Gesellschafters mit dem Prokuristen nicht möglich. Ebenso ausgeschlossen ist entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung die Erteilung einer Prokura durch einen Einzelkaufmann in der Form, dass der Prokurist nur gemeinsam mit ihm vertretungsberechtigt ist.
Rz. 31
Stets unzulässig ist auch die Bindung des Prokuristen an einen Dritten. Hierbei würde es sich um eine unzulässige Beschränkung des Prokuristen nach § 50 HGB handeln. I.Ü. setzt Gesamtvertretung Vertretungsmacht aller Vertreter voraus.
Beispiel
Eine GmbH & Co. KG kann Prokura in der Weise erteilen, dass der Prokurist die GmbH & Co. KG nur zusamm...