a) Allgemeines
Rz. 114
§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB regelt eine Ausnahme vom Grundsatz der Einstimmigkeit: Zwar ist auch bei ordnungsgemäßer Verwaltung Einstimmigkeit erforderlich. Hier sind die Erben jedoch verpflichtet mitzuwirken, um so das gemeinschaftliche Handeln i.S.v. § 2038 S. 1 BGB zu gewährleisten. Nach § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB ist in diesem Fall jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, an den erforderlichen Maßregeln mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur unter den Miterben. Ein Dritter kann daher weder von einem Miterben die Mitwirkung zu einer Verwaltungshandlung verlangen, noch kann er aus dem Unterlassen Schadensersatzansprüche herleiten. Der Dritte kann sich aber von einem Miterben dessen Anspruch abtreten lassen oder im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. Zur Mitwirkungspflicht i.S.v. Satz 2 gehört nicht lediglich die Zustimmung zum Handeln der Gemeinschaft. "Mitwirkung zu Maßregeln" ist hier weiter zu verstehen und umfasst ggf. auch eigenes aktives, auch rechtsgeschäftliches Handeln. Diese Verpflichtung kann im Klagewege erzwungen werden, wobei der Klageantrag ausschließlich gegen die Erben zu richten ist, die eine Mitwirkung entweder in Form ihrer Zustimmung oder einer Handlung verweigern. Die Anträge sind auf eine Maßnahme zu richten, die dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen muss.
b) Maßnahme war Fall ordnungsgemäßer Verwaltung
aa) Mehrheitsbeschluss liegt vor
Rz. 115
Der Mehrheitsbeschluss wirkt nicht lediglich innerhalb der Erbengemeinschaft sondern gewährt den handelnden Erben Vollmacht, die Erbengemeinschaft als Ganzes auch im Außenverhältnis zu verpflichten (zur Beschlussfassung vgl. oben Rdn 108).
Der II. Senat hat im Jahre 1967 Bedenken gegen diese damals bereits in der Literatur vorherrschende Auffassung angemeldet. Denn die Minderheit wäre (im Nachhinein lediglich) auf Schadensersatzansprüche beschränkt, falls gar kein Mehrheitsbeschluss vorläge. Kann die – vermeintliche – Mehrheit den gefassten Beschluss ausführen würde die – vermeintliche – Minderheit mit einer Klage zu spät kommen und vor vollendeten Tatsachen stehen: "Billigt man dem Mehrheitsbeschluß dagegen nur Wirkung im Verhältnis unter den Teilhabern zu, so kann sich die Mehrheit im allgemeinen damit helfen, die Minderheit auf Mitwirkung an der Ausführung des Beschlusses zu verklagen, und muß damit bei Rechtmäßigkeit des gefaßten Beschlusses Erfolg haben, da alle Teilhaber verpflichtet sind, bei wirksam beschlossenen Verwaltungsmaßnahmen mitzuwirken." In jener Entscheidung konnte der BGH diese Frage teilweise auf sich beruhen lassen und hatte lediglich ausgeführt, dass jedenfalls "ein gemäß § 745 Abs. 1 Satz 1 ergangener Mehrheitsbeschluß in Eil- oder Notfällen von der Mehrheit ausgeführt werden" kann.
Rz. 116
Der III. Senat hat dieses Problem in seiner Entscheidung im Jahr 1971 dann ausdrücklich dahingehend entschieden, "daß die Mehrheit einen – ordnungsgemäß gefaßten – Mehrheitsbeschluß mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft zumindest dann auszuführen berechtigt ist, wenn er Verwaltungsmaßnahmen, nicht Verfügungen betrifft". Diese Beschränkung auf Verwaltungsmaßnahmen hat angesichts der geänderten Rechtsprechung des BGH heute praktisch keinen Bestand mehr (vgl. hierzu oben Rdn 45, 47 und 77 ff., zur Kritik Rdn 82 ff.).
bb) Kein Mehrheitsbeschluss
Rz. 117
Liegt kein Mehrheitsbeschluss vor, so handeln Miterben –auch im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung – als Vertreter ohne Vertretungsmacht (zur Beschlussfassung vgl. oben Rdn 108). Die Rechtsfolgen ihres Handelns bestimmen sich nach §§ 177 ff. BGB. Ersatz etwaiger Aufwendungen kann der handelnde Erbe dann über eine Genehmigung seiner Maßnahme bzw. unmittelbare Geltendmachung seiner Ersatzansprüche gegenüber der Erbengemeinschaft geltend machen (vgl. hierzu nachfolgend Rdn 124) oder nach der wohl vorherrschenden Meinung über die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag.
Rz. 118
Kuchinke meint ohne weitere Begründung, dass der handelnde Miterbe in diesem Fall "nur nach den § 1978 Abs. 3, § 683, § 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen verlangen" könne. Weshalb § 1978 Abs. 3 BGB hier – außerhalb einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz (§ 1978 Abs. 1 BGB) – anwendbar sein sollte, ersch...