Rz. 93
Jeder Miterbe hat Anspruch auf eine Regelung der Verwaltung und Benutzung, die billigem Ermessen aller Miterben entspricht – also auch seinem eigenen, §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB. Eine gerichtliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn durch die Erbengemeinschaft weder eine Vereinbarung noch ein Beschluss getroffen wurde, die billigem Ermessen entsprechen. Liegt eine solche Regelung vor, kommt ein Anspruch auf (Neu-)Regelung oder eine gerichtliche Änderung nur in Betracht, wenn sich die Umstände seit der Regelung wesentlich geändert haben oder wenn eine getroffene Regelung in einem bestimmten Punkt lückenhaft ist.
Rz. 94
Auch Verfügungen über Eigentumsrechte können eine ordnungsgemäße Verwaltung darstellen und unter § 745 Abs. 2 BGB fallen, wenn die begehrte Regelung nach billigem Ermessen dem Interesse der Miterben entspricht und die Grenze des § 745 Abs. 3 BGB wahrt, insbesondere eine übermäßige finanzielle Belastung des Anspruchsgegners vermieden wird (siehe hierzu auch Rdn 77).
Bei der Abwägung muss das Gericht die konkreten Verhältnisse und die bisherige Bestimmung und Benutzung berücksichtigen und die Interessen der Beteiligten gegeneinander abwägen. Diese Entscheidung ist bereits in der Berufungsinstanz lediglich darauf zu überprüfen, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen worden sind. Die Feststellungen des Gerichts müssen so umfassend erfolgen, dass eine Überprüfung anhand dieser Maßstäbe durch das Rechtsmittelgericht ermöglicht wird.
Rz. 95
Ein Klageantrag ist auf Einwilligung zu einer bestimmten Verwaltungs- und Benutzungsregelung zu richten. Verklagt werden die widersprechenden Miterben. Das Gericht hat dann zu prüfen, ob die bisherige Regelung nicht billigem Ermessen entspricht und die Neuregelung diesen Anforderungen genügt. Wird eine Regelung begehrt, die (ebenfalls) nicht billigem Ermessen und vernünftiger Interessenabwägung i.S.v. § 745 Abs. 2 BGB entspricht, muss die Klage abgewiesen werden, ohne dass auf eine interessengerechte Maßnahme nach dem Ermessen des Richters erkannt werden könnte.
Beispiel: Recht auf Mitgebrauch oder Nutzungsentschädigung?
Erblasser Max Meier (E) verstarb 2017. Er war verheiratet mit Magda (F) und hinterlässt zwei erwachsene Kinder, Daniel (K1) und Anna (K2). Er hatte keinen Ehevertrag geschlossen und hinterlässt kein Testament. Den Eheleuten gehörte gemeinsam ein selbst bewohntes Einfamilienhaus in Berlin (EFH). Der hälftige Miteigentumsanteil des E ist somit in den Nachlass gefallen. K1 lebt in Hamburg, K2 in München.
Auch über ein Jahr nach dem Tod des E wohnt F weiterhin alleine in dem EFH in Berlin. Sie leistet dafür keine Zahlungen an K1 oder K2.
Lösung
K1 und K2 müssen gegenüber F ihren Anspruch auf Nutzungsentschädigung wegen des von F allein bewohnten EFH ausdrücklich geltend machen. K1 und K2 werden jedoch keinen Anspruch auf eigene Nutzung des EFH haben, da dieses Verlangen wohl keine "dem billigen Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung" darstellt, vgl. § 745 Abs. 2 BGB.
Rz. 96
Ein Miterbe kann unter bestimmten Voraussetzungen von den anderen Miterben eine Vergütung für Gebrauchsüberlassung verlangen (Nutzungsentschädigung), wenn er selbst den Nachlassgegenstand ohne eigenes Verschulden nicht ebenso wie die anderen Miterben nutzen kann. Für Benachteiligungen bei der Nutzung kann ein Miterbe einen Ausgleich in Geld aber nur dann verlangen wenn
a) |
eine dementsprechende – auch stillschweigende – Benutzungsvereinbarung vorliegt oder |
b) |
mit hinreichender Deutlichkeit vergeblich eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung des Miteigentums nach billigem Ermessen gem. § 745 Abs. 2 BGB verlangt wird (dann auch erst Nutzungsentschädigung ab diesem Zeitpunkt), oder |
c) |
die Miterben den Mitgebrauch hartnäckig verweigern. |
Rz. 97
Anspruchsinhaber einer Nutzungsentschädigung ist ausschließlich derjenige Miterbe persönlich, der die Neuregelung verlangt. Es ist kein Anspruch der Erbengemeinschaft, denn das Nutzungsrecht ist ein höchstpersönliches Recht eines Miterben und nicht ein solches der Erbengemeinschaft; der Ersatz für das höchstpersönliche Recht kann folglich ebenfalls kein Anspruch der Erbengemeinschaft sein.
Jedoch hat der benachteiligte Miterbe auch in den Fällen b) und c) nicht ohne Weiteres einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Bei der Prüfung ist stets darauf zu achten, ob die begehrte Nutzungsentschädigung billigem Ermessen entspricht. Dies betrifft nicht bloß den Anspruch der Höhe, sondern auch dem Grunde nach. Verweigern einer oder mehrere Miterben ihre Zustimmung zu einer Benutzungsvereinbarung oder Zahlung einer Nutzungsentschädigung, die billigem Ermessen entspricht, so können sie sich dadurch schadensersatzpflichtig machen.
Ein etwaiger Anspruch auf Nutzungsentschädigung kann sogleich in Form einer Zahlungsklage verfolgt werden, weil sich der Ansp...