aa) Mehrheitsbeschluss liegt vor
Rz. 115
Der Mehrheitsbeschluss wirkt nicht lediglich innerhalb der Erbengemeinschaft sondern gewährt den handelnden Erben Vollmacht, die Erbengemeinschaft als Ganzes auch im Außenverhältnis zu verpflichten (zur Beschlussfassung vgl. oben Rdn 108).
Der II. Senat hat im Jahre 1967 Bedenken gegen diese damals bereits in der Literatur vorherrschende Auffassung angemeldet. Denn die Minderheit wäre (im Nachhinein lediglich) auf Schadensersatzansprüche beschränkt, falls gar kein Mehrheitsbeschluss vorläge. Kann die – vermeintliche – Mehrheit den gefassten Beschluss ausführen würde die – vermeintliche – Minderheit mit einer Klage zu spät kommen und vor vollendeten Tatsachen stehen: "Billigt man dem Mehrheitsbeschluß dagegen nur Wirkung im Verhältnis unter den Teilhabern zu, so kann sich die Mehrheit im allgemeinen damit helfen, die Minderheit auf Mitwirkung an der Ausführung des Beschlusses zu verklagen, und muß damit bei Rechtmäßigkeit des gefaßten Beschlusses Erfolg haben, da alle Teilhaber verpflichtet sind, bei wirksam beschlossenen Verwaltungsmaßnahmen mitzuwirken." In jener Entscheidung konnte der BGH diese Frage teilweise auf sich beruhen lassen und hatte lediglich ausgeführt, dass jedenfalls "ein gemäß § 745 Abs. 1 Satz 1 ergangener Mehrheitsbeschluß in Eil- oder Notfällen von der Mehrheit ausgeführt werden" kann.
Rz. 116
Der III. Senat hat dieses Problem in seiner Entscheidung im Jahr 1971 dann ausdrücklich dahingehend entschieden, "daß die Mehrheit einen – ordnungsgemäß gefaßten – Mehrheitsbeschluß mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft zumindest dann auszuführen berechtigt ist, wenn er Verwaltungsmaßnahmen, nicht Verfügungen betrifft". Diese Beschränkung auf Verwaltungsmaßnahmen hat angesichts der geänderten Rechtsprechung des BGH heute praktisch keinen Bestand mehr (vgl. hierzu oben Rdn 45, 47 und 77 ff., zur Kritik Rdn 82 ff.).
bb) Kein Mehrheitsbeschluss
Rz. 117
Liegt kein Mehrheitsbeschluss vor, so handeln Miterben –auch im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung – als Vertreter ohne Vertretungsmacht (zur Beschlussfassung vgl. oben Rdn 108). Die Rechtsfolgen ihres Handelns bestimmen sich nach §§ 177 ff. BGB. Ersatz etwaiger Aufwendungen kann der handelnde Erbe dann über eine Genehmigung seiner Maßnahme bzw. unmittelbare Geltendmachung seiner Ersatzansprüche gegenüber der Erbengemeinschaft geltend machen (vgl. hierzu nachfolgend Rdn 124) oder nach der wohl vorherrschenden Meinung über die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag.
Rz. 118
Kuchinke meint ohne weitere Begründung, dass der handelnde Miterbe in diesem Fall "nur nach den § 1978 Abs. 3, § 683, § 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen verlangen" könne. Weshalb § 1978 Abs. 3 BGB hier – außerhalb einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz (§ 1978 Abs. 1 BGB) – anwendbar sein sollte, erschließt sich nicht. Immerhin ist dies jedoch der einzige Versuch überhaupt von der spezielleren Vorschrift des § 2038 BGB zu den allgemeinen Vorschriften der GoA zu gelangen. Die von Kuchinke angeführten weiteren Belegstellen gehen scheinbar sogar von einer unmittelbaren Anwendung der Vorschriften zur GoA aus, jedoch gleichfalls ohne Begründung, weshalb die allgemeinen Vorschriften der GoA angesichts der spezielleren Vorschrift des § 2038 BGB anwendbar sein sollten.
Rz. 119
Die in diesem Zusammenhang von anderen Autoren zitierte Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1987 betraf einen Fall der Überschreitung des Notverwaltungsrechts (vgl. hierzu nachfolgend Rdn 141). Die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2003 problematisiert ebenfalls nicht die grundsätzliche Frage, ob und warum überhaupt die Vorschriften der GoA im Bereich des (vermeintlichen) Verwaltungshandelns anwendbar sein könnten.