I. Überblick
Rz. 51
Die Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft stellt eines der großen praktischen Probleme im Recht der Erbengemeinschaft dar. § 2038 BGB unterscheidet drei Arten der Verwaltung:
1. |
Außerordentliche Verwaltung gem. Abs. 1 S. 1 (siehe unten Rdn 64) |
2. |
Ordnungsgemäße Verwaltung gem. Abs. 1 S. 2 Hs. 1 (siehe unten Rdn 68) |
3. |
Notwendige Verwaltung gem. Abs. 1 S. 2 Hs. 2 (siehe unten Rdn 126). |
Zunächst ist zu prüfen, ob eine Handlung überhaupt eine Verwaltungsmaßnahme darstellt. Erst danach ist zu unterscheiden, welcher Art die Verwaltung war und ob die Miterben einvernehmlich oder mehrheitlich hierüber zu beschließen haben und wie sie hierdurch verpflichtet werden. Der Aufbau des § 2038 BGB enthält insoweit abgestufte Anforderungen: Ausgangspunkt ist der Fall der außerordentlichen Verwaltung, die Erben müssen einstimmig handeln (Abs. 1 S. 1). In Fällen der ordnungsmäßigen Verwaltung genügt ein Mehrheitsbeschluss (Abs. 1 S. 2 Hs. 1) und in Fällen der notwendigen Verwaltung kann ein Miterbe alleine handeln (Abs. 1 S. 2 Hs. 2). Während § 2038 BGB die Verwaltungsbefugnis regelt, ist die Verfügungsbefugnis grundsätzlich in §§ 2033, 2040 BGB (vgl. hierzu oben Rdn 38 ff.) geregelt. Die Rechtsprechung und Teile der Literatur durchbrechen mittlerweile diese strikte Trennung stärker als bisher, so dass auch Verfügungen Verwaltungsmaßnahmen sein können (siehe Rdn 45, 47, 77 ff.).
II. Begriff der Verwaltung
Rz. 52
Der Begriff der "Verwaltung" (des Nachlasses) ist im BGB nicht definiert. Über die Reichweite des Begriffes in § 2038 BGB herrscht keine Einigkeit. Insbesondere ist es schwierig zu beurteilen, welche Verfügungen die Rechtsprechung abweichend von § 2040 (gemeinschaftliche Verfügung) im Rahmen der Mehrheits- oder sogar Einzelverwaltung für möglich hält. Einigkeit besteht jedoch darin, dass "Verwaltung" i.S.v. § 2038 BGB weit und umfassend zu verstehen ist: Umfasst sind alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung laufender Verbindlichkeiten des Nachlasses erforderlich oder geeignet sind. Der BGH hat mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 die Definition erweitert, wodurch nunmehr grundsätzlich auch Verfügungen über Nachlassgegenstände eine Maßnahme der Verwaltung sein können (zur Frage, ob eine Verfügung eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung sein kann, siehe unten Rdn 77).
Rz. 53
Die Regelung in § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB ist im Wesentlichen deckungsgleich mit § 744 Abs. 1 BGB. Auch in § 1978 verwendet das BGB den Begriff der "Verwaltung" (des Nachlasses). Nach den Motiven umfasst die Verwaltung dort die "gesammte thatsächliche und rechtliche Verfügung über das verwaltete Gut, schließt also auch Veräußerungen, zu welchen der Verwalter berechtigt ist, nicht aus". Der Verwaltungsbegriff in § 2038 BGB soll gleichermaßen zu verstehen sein. Zur Problematik, ob aus den Motiven des BGB zu § 1978 der Schluss gezogen werden kann, dass Verfügungen der Erbengemeinschaft auch als Verwaltungsmaßnahme nach § 2038 BGB beurteilt werden können siehe unten Rdn 78.
Ann formuliert plastisch, dass
Zitat
"Verwaltung alles sein soll, was den Status Quo des Erblasservermögens sichert, wie er im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hat. Verwaltungshandeln ist so in erster Linie “Bewahrungshandeln‘".
Weiter führt er aus, dass
Zitat
"werbendes Handeln der Nachlassverwaltung zumindest nicht wesensfremd sein kann. Nachlassverwaltung ist also auch Bewahrungshandeln, erschöpft sich darin aber nicht."
Rz. 54
Verwaltungsmaßnahmen sind bspw.:
▪ |
Anfechtung (auch eines Eigentümerbeschlusses) |
▪ |
Antragstellung und deren Rücknahme beim Grundbuchamt |
▪ |
Baumaßnahmen auf einem Grundstück |
▪ |
Entlassung oder Anstellung von Grundstücksverwaltern oder Bediensteten |
▪ |
Erlass von Forderungen |
▪ |
Forderungseinziehung, auch Miet- und Pachtzins (siehe unten Rdn 167) |
▪ |
Handelsgeschäft fortführen oder einstellen |
▪ |
Kapitalanlage bis zur Auseinandersetzung |
▪ |
Klage zum Schutz eines verpfändeten Grundstückes vor ungerechtfertigter Vollstreckung |
▪ |
Mahnungen |
▪ |
Nachbarschaftsrechte gegen Baugenehmigung geltend machen |
▪ |
Nachlassschulden begleichen, insbes. laufende Verbindlichkeiten |
▪ |
Pflichtteilsansprüche beziffern und auszahlen (auch bei Testamentsvollstreckung) |
▪ |
Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Prozessführung |
▪ |
Regelung der Benutzung von Nachlassgegenständen |
▪ |
Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, soweit sie aus Nachlassmitteln beglichen werden können |
▪ |
Rücktritt |
▪ |
Stille Gesellschaft mit Dritten eingehen |
▪ |
Stimmrechtsausübung aufgrund eines GmbH-Geschäftsanteils vor Ausübung des Stimmrechts gem. § 18 Abs. 1 GmbHG |
▪ |
Verarbeitung halbfertiger Produkte, auch wenn dadurch neue Produkte entstehen |
▪ |
Veräußerung von Grundstücken |
▪ |
Vergleichsabschluss über Forderungen für und gegen den Nachlass |
▪ |
Vermietung und Verpachtung von Nachlassgegenständen |
▪ |
Vertragsabschluss |
▪ |
Verwaltung ... |