I. Allgemeines
Rz. 165
Da das Vermögen der Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden ist, können Leistungen nur an die Erben gemeinschaftlich erfolgen, § 2039 BGB. Ebenso können danach die Erben Forderungen des Nachlasses nur gemeinschaftlich geltend machen. Selbst wenn es sich bei der Geltendmachung der Forderung um einen Fall der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt (siehe oben Rdn 69), sind die Erben stets gezwungen, einen Mehrheitsbeschluss herbeizuführen. Widerspenstige oder passive Erben müssten dann ggf. im Klagewege zur Mitwirkung gezwungen werden. Um der Erbengemeinschaft hier den Handlungsspielraum zu erweitern, eröffnet § 2039 BGB jedem Erben das Recht, Forderungen für den Nachlass geltend zu machen. § 2039 BGB gilt ausschließlich für Forderungen die für den Nachlass geltend gemacht werden; Forderungen gegen den Nachlass sind nach §§ 2058 ff. BGB zu beurteilen (siehe § 6 Rdn 59 ff.). Zur Behandlung gemeinschaftlicher Forderungen bei der Auseinandersetzung siehe § 8 Rdn 45.
II. Voraussetzungen
Rz. 166
Ein Anspruch i.S.d. Legaldefinition des § 194 BGB gehört zum Nachlass, wenn es sich um
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einen Anspruch der Erbengemeinschaft handelt, der nach dem Erbfall entstanden ist oder |
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einen Anspruch des Erblassers handelt, der mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft übergegangen ist. |
Ansprüche des Erblassers können sowohl schuldrechtlicher als auch dinglicher sowie öffentlich-rechtlicher Natur sein. Im Gegensatz zum sonst ähnlichen § 432 BGB benennt § 2039 BGB nicht lediglich "eine unteilbare Leistung", sondern weitergehend "einen Anspruch", der "zum Nachlass" gehört. Damit sollte ausdrücklich klargestellt sein, dass S. 1 auch gilt, "wenn die der Erbengemeinschaft zustehende Aktivforderung in einer Geldforderung bestehe".
Rz. 167
Beispiele für Ansprüche i.S.v. § 2039 BGB:
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Auskunftsanspruch gegen eine zum Nachlass gehörende Gesellschaft: Die Auskunft ist allen Miterben "gemeinsam und gleichzeitig zu erteilen". |
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Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch gegen den Steuerberater des Erblassers: Ein Miterbe kann somit allein gem. § 2039 BGB, trotz des Widerspruchs der übrigen Miterben, den Steuerberater des Erblassers auf Auskunft hinsichtlich der Steuererklärungen des Erblassers in Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft verklagen. Hat der Erblasser seine Steuererklärung zusammen mit seinem Ehepartner abgegeben, so ist dieser Auskunftsanspruch zwar wegen der fortbestehenden Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters gegenüber dem Ehepartner eingeschränkt. Der Anspruch geht dennoch nicht nur auf Ablichtung einer teilweise abgedeckten gemeinsamen Steuererklärung, sondern auf Gewähr der Einsicht in die Unterlagen. Der verklagte Steuerberater kann den klagenden Erben nicht auf eine Einsicht in die Akten des Finanzamts verweisen. |
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Erbschaftsanspruch (§§ 2018 ff. BGB): Obwohl der Anspruch nicht zum Nachlass gehört, wird § 2039 hier (entsprechend) angewandt. |
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Erlassanspruch gem. § 227 Abs. 1 AO von Säumniszuschlägen gem. § 240 Abs. 1 AO, soweit bereits der Erblasser diesen Anspruch hätte geltend machen können: Im Einspruchsverfahren sind die Miterben weder notwendig hinzuzuziehen noch im FG-Prozess notwendig beizuladen |
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Feststellungsklage |
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Fortsetzung eines vom Erblasser begonnenen (und durch dessen Tod unterbrochenen) Prozesses |
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Grundbuchberichtigungsanspruch zugunsten der Erbengemeinschaft, auch im Wege der Klage |
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Kostenerstattungsanspruch aus Rechtsstreitigkeiten des Erblassers, auch wenn sie von den Erben fortgesetzt werden |
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Rechnungslegungsanspruch gegen Testamentsvollstrecker gem. §§ 2218, 666 BGB; dabei muss "die Urteilsformel (…) allerdings die Einschränkung erhalten, daß die Rechnung gegenüber allen Miterben gemeinsam zu legen ist" |
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Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung in ein Nachlassgrundstück: Hier ist ein Miterbe gem. § 2039 prozessführungsbefugt, wenn damit ein zum Nachlass gehörender Anspruch durchgesetzt werden soll |
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Witwerrentenanspruch des Erblassers bis zu dessen Tod. |
Rz. 168
Die Ausübung von Gestaltungsrechten fällt nicht unter § 2039 BGB, wie sich aus dem weiteren Wortlaut ergibt ("an alle Erben […] leisten"): Gestaltungsrechte schaffen erst die Grundlage für Ansprüche, wohingegen § 2039 deren Durchsetzung ("Durchführungsmaßregel") betrifft. Für Gestaltungsrechte gilt § 2038 BGB, für Verfügungen § 2040 BGB. Dabei ist jedoch auch hier die geänderte Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis des § 2040 BGB zu § 2038 BGB und mithin die Möglichkeit der mehrheitlichen Verfügung im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung (siehe oben Rdn 78) sowie der Einzelverfügung im Rahmen der Notverwaltung zu beachten (siehe oben Rdn 124).
Ebensowenig gehört der Anspruch aus § 2287 BGB zum Nachlass: Er steht jedem Schluss- oder Vertragserben persönlich zu. Die Höhe des Bruchteils wird bestimmt durch die Erbquote. Bei einem Grundstück richtet sich der A...