Rz. 157
Die Anzahl der Fälle, in denen Erben von vormals vom Erblasser bevollmächtigten Miterben Auskunft- und Rechenschaft verlangen, ist in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Dies hängt wohl einerseits damit zusammen, dass die Erteilung von Vorsorge- und sonstigen Vollmachten in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat; andererseits sind die Möglichkeiten, die § 666 BGB bietet, in der Vergangenheit auch häufig unterschätzt worden.
Rz. 158
Gerade die Geltendmachung der Rechenschaftspflicht gegen einen vormals vom Erblasser bevollmächtigten Miterben ist ein Fall der ordnungsgemäßen Verwaltung. Erst aufgrund der Rechenschaft kann die Erbengemeinschaft das Bestehen möglicher Ansprüche gem. § 667 BGB beurteilen (zum Abstimmungsverbot des betroffenen Erben siehe oben Rdn 109). Darüber hinaus ist der als Not- oder Alleingeschäftsführer handelnde Miterbe der Erbengemeinschaft nach §§ 666, 681, 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB über den Stand der Geschäfte zur Auskunft verpflichtet. Die Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaft können von jedem Miterben zugunsten der Erbengemeinschaft geltend gemacht werden, § 2039 BGB (siehe unten Rdn 167).
Rz. 159
Die Pflicht zur Auskunft- oder/und Rechenschaft gem. § 666 BGB setzt jedoch ein Auftragsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem – vermeintlich – anspruchsverpflichteten Miterben voraus (zu Einzelheiten siehe § 13 Rdn 70). Am fehlenden Auftragsverhältnis wird regelmäßig der Anspruch der Kinder gegen den überlebenden Ehegatten scheitern, selbst wenn jener vom Erblasser umfassend mit Vollmachten ausgestattet worden war. Zur Frage der Rechenschaftspflicht und der Beweislastverteilung bei Ehegatten ist eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2000 grundlegend. Dort heißt es u.a:
Zitat
"Regeln Ehegatten während des Zusammenlebens die Aufgabenbereiche innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise, dass einer von ihnen die Wirtschaftsführung im wesentlichen allein übernimmt, so entsteht daraus selbst dann kein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 662 ff. BGB, wenn die verfügbaren Mittel im wesentlichen aus den Einkünften oder dem Vermögen des anderen Ehegatten zufließen. Deshalb kann der andere Ehegatte von dem die Wirtschaftsführung wahrnehmenden Ehegatten – und zwar weder nach Auftragsrecht noch aufgrund eines eigenständigen familienrechtlichen Anspruchs – die Rückzahlung von Geldern verlangen, deren familienbezogene Verwendung dieser Ehegatte nicht belegen kann. Eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 667 BGB kommt, wie der Senat wiederholt klargestellt hat, hier nicht in Betracht (Urteile vom 29.1.1986 – IVb ZR 11/85 – FamRZ 1986, 558, 559 und vom 24.6.1987 – IVb ZR 49/86 – FamRZ 1988, 42, 43). Dieser Grundsatz beruht letztlich auf der Überlegung, dass sich Ehegatten durch derartige Regelungen ihrer Aufgabenbereiche besonderes Vertrauen schenken. Dem wirtschaftenden Ehegatten darf deshalb nicht einseitig das Risiko auferlegt werden, im Nachhinein Ausgaben nicht mit der gleichen Genauigkeit angeben und belegen zu können, wie das in Rechtsverhältnissen ohne Inanspruchnahme von personalem Vertrauen erforderlich oder geboten ist".
Weiter heißt es, dass "an die Feststellung eines Verwaltungsvertrages keine geringen Anforderungen gestellt werden" dürfen. Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008 ist diese Rechtsprechung "auf Fallgestaltungen mit sonstigem familiären oder personalen Einschlag nicht übertragbar".
Rz. 160
Auch der Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch gegen den Steuerberater des Erblassers gehört zu den Ansprüchen i.S.v. § 2039 BGB. Ein Miterbe kann somit allein gem. § 2039 BGB, trotz des Widerspruchs der übrigen Miterben, den Steuerberater des Erblassers auf Auskunft hinsichtlich der Steuererklärungen des Erblassers in Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft verklagen. Hat der Erblasser seine Steuererklärung zusammen mit seiner Ehefrau abgegeben, so ist dieser Auskunftsanspruch zwar wegen der fortbestehenden Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters gegenüber der Ehefrau eingeschränkt. Der Anspruch geht dennoch nicht nur auf Ablichtung einer teilweise abgedeckten gemeinsamen Steuererklärung, sondern auf Gewähr der Einsicht in die Unterlagen. Nach OLG Koblenz soll dies durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten anderen Steuerberater erfolgen (sehr fraglich); der verklagte Steuerberater kann den klagenden Erben nicht auf eine Einsicht in die Akten des Finanzamts verweisen.