Rz. 174
Der einzelne Miterbe kann nur die Leistung des Schuldners an alle Erben fordern (actio pro socio). Er kann daher insbesondere nicht etwa lediglich die Forderung in Höhe seiner eigenen Erbquote geltend machen (und Zahlung an sich verlangen). Dies wäre eine eigenmächtige und somit unzulässige Teilauseinandersetzung. Etwas anderes gilt, wenn die übrigen Miterben zustimmen und den fordernden bzw. klagenden Miterben insoweit ermächtigen. Einvernehmlich können die Erben jederzeit eine Teilauseinandersetzung vornehmen.
§ 2039 gewährt dem einzelnen Miterben ein Recht, regelt jedoch keine Pflicht, Ansprüche für die Erbengemeinschaft alleine durchzusetzen. Der einzelne Miterbe ist mithin auch nicht verpflichtet,
Zitat
"Prozesse zur Durchsetzung von Ansprüchen des Nachlasses alleine zu führen, sondern kann sich vorher des Einverständnisses seiner Miterben vergewissern. Er darf insbesondere bei Ansprüchen, zu deren Verfolgung es weittragender, zweifelhafter oder kostspieliger Maßnahmen bedarf, vorher die Zustimmung der Miterben einholen."
Der handelnde Miterbe kann somit auch im Vorfeld klären, ob eine beabsichtigte Anspruchsverfolgung noch eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung (vgl. hierzu auch oben Rdn 68 ff.) darstellt.
Rz. 175
Auch wenn neben dem fordernden Miterben lediglich noch ein weiterer Miterbe vorhanden ist, muss auf Leistung an die Erbengemeinschaft geklagt werden. Dies gilt auch dann, wenn Schuldner der andere Miterbe ist. Der Miterbe kann Leistung direkt an sich verlangen, wenn eine andere Forderung unstreitig nicht mehr besteht: Der fordernde Miterbe müsste dann den Anspruch um den Anteil des anderen Miterben (Schuldners) kürzen. Kann der Schuldner jedoch erfolgreich geltend machen, dass der Nachlass noch nicht teilungsreif ist (weil noch Nachlassverbindlichkeiten oder weitere Nachlassgegenstände vorhanden sind), wird die Klage zur unzulässigen Teilungsklage.
Rz. 176
Macht ein Miterbe gegen den Widerspruch der anderen Erben einen Grundbuchberichtigungsanspruch missbräuchlich geltend, liegt ein Rechtsmissbrauch der Prozessführungsbefugnis vor und die Klage ist als unzulässig abzuweisen. Dies gilt jedoch ausdrücklich ausschließlich nur für den Fall, dass das Vorgehen des klagenden Erben rechtsmissbräuchlich ist ("persönlich arglistig handelnder Miterbe") und die anderen Erben diesem Vorgehen des klagenden Erben widersprechen. Der Beschluss des OLG Frankfurt aus dem Jahr 2012 nimmt fälschlich Bezug auf die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1966 und – worauf Schütte zu Recht hinweist – verkehrt den Sinn des § 2039 ins Gegenteil. Denn gerade die Einziehung auch gegen den Widerspruch eines Miterben wird und soll durch § 2039 ermöglicht; dies sogar, wenn ein Miterbe von zweien gegen den anderen klagt. Wenn hier der bloße Widerspruch – oder gar noch die Behauptung über diesen Widerspruch durch den Prozessgegner – genügen würde, die Rechtsverfolgung zu vereiteln, wäre § 2039 praktisch nahezu bedeutungslos. Die Entscheidung des OLG ist im Rahmen der eigentlich wenigstens summarischen Prüfung eines PKH-Beschwerdeverfahrens ergangen.
Rz. 177
Als "notwendiges Minus" zum Recht des einzelnen Miterben, die Leistung des Schuldners zu fordern, kann auch der einzelne Miterbe den Schuldner durch Mahnung in Verzug setzen. Die Realisierung der Forderung gegen den Schuldner durch Erklärung der Aufrechnung ist hingegen dem einzelnen Miterben versagt, da es sich hierbei um ein Gestaltungsrecht handelt, für das § 2038 BGB gilt (vgl. hierzu oben Rdn 51 ff.).
Rz. 178
Nach § 2039 S. 2 BGB kann auch die Hinterlegung der zu leistenden Sache beansprucht werden. Der Anspruch auf Hinterlegung kann von jedem Miterben allein geltend gemacht werden. Die Hinterlegung richtet sich nach dem Hinterlegungsgesetz der Länder, die teilweise durch Verwaltungsvorschriften ergänzt werden:
Hinterlegungsgesetze und die ergänzenden Verwaltungsvorschriften der Länder
Baden-Württemberg: Hinterlegungsgesetz für das Land Baden-Württemberg (HintG BW); Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums Baden-Württemberg zum Hinterlegungsgesetz (VVHintG)
Bayern: Bayerisches Hinterlegungsgesetz (BayHintG); Vollzugsvorschriften zum Bayerischen Hinterlegungsgesetz (BayHiVV)
Berlin: Berliner Hinterlegungsgesetz (BerlHintG)
Brandenburg: Brandenburgisches Hinterlegungsgesetz (BbgHintG)
Bremen: Hinterlegungsgesetz Bremen (BremHintG)
Hamburg: Hinterlegungsgesetz (HambHintG)
Hessen: Hessisches Hinterlegungsgesetz (HessHintG)
Mecklenburg-Vorpommern: Hinterlegungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (HintG M-V)
Niedersachsen: Niedersächsisches Hinterlegungsgesetz (NHintG)
Nordrhein-Westfalen: Hinterlegungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (HintG NRW); Ausführungsvorschriften zum Hinterlegungsgesetz (AVHintG NRW)
Rheinland-Pfalz: Landeshinterlegungsgesetz (LHintG)
Saarland: Hinterlegungsgesetz des Saarlandes (SaarlHintG)
Sachsen: Sächsisches Hinterlegungsgesetz (SächsHintG)
Sachsen-Anhalt: Hinterlegungsgesetz des Landes Sachs...