1. Allgemeines
Rz. 38
§ 2033 Abs. 2 BGB regelt, dass ein Erbe nicht über seinen Anteil an einem Nachlassgegenstand verfügen darf: Dies dürfen nur alle Erben gemeinschaftlich, § 2040 Abs. 1 BGB (zur Umdeutung einer unwirksamen Verfügung siehe oben Rdn 27; zur Situation, wenn der verfügende Miterbe allein über die Mehrheit der Erbquoten innerhalb der Erbengemeinschaft verfügt bzw. die Mehrheit der Erben der Verfügung zustimmt oder/und bei Vorliegen einer Maßnahme der Notverwaltung siehe nachfolgend Rdn 45). § 2040 BGB ist damit ebenso wie § 2033 BGB Ausdruck des Gesamthandprinzips der Erbengemeinschaft. Er hätte systematisch zutreffend als Abs. 3 des § 2033 BGB eingefügt werden müssen, da § 2040 Abs. 1 BGB normiert, unter welchen Voraussetzungen die Miterben über einen Nachlassgegenstand verfügen können: Nicht durch Verfügung über ihren Anteil am Nachlassgegenstand (§ 2033 Abs. 2 BGB), sondern durch gemeinschaftliche Verfügung über den Nachlassgegenstand (§ 2040 Abs. 1 BGB). Zur Verfügung über Nachlassgegenstände im Rahmen von Verwaltungsmaßnahmen nach § 2038 BGB vgl. auch Rdn 77 ff.
Rz. 39
Im Gegensatz zur Verwaltung (siehe unten Rdn 51) greift eine Verfügung in den "Kernbestand" der Erbengemeinschaft ein und muss i.R.d. Gesamthandsgemeinschaft nicht lediglich mehrheitlich, sondern gemeinschaftlich, also einstimmig erfolgen. Andernfalls würde dies dazu führen, dass einzelne Erben "vollendete Tatsachen" schaffen und die übrigen Erben darauf angewiesen wären, "im Nachhinein" ihre Ansprüche geltend zu machen. Abs. 1 entspricht im Wesentlichen § 747 S. 2 BGB (Verfügung über gemeinschaftliche Gegenstände).
2. Voraussetzungen
Rz. 40
Erforderlich ist die Zustimmung aller Miterben, §§ 182 ff. BGB. Diese muss mithin nicht gleichzeitig, sondern kann auch einzeln im Vorfeld (Einwilligung, § 183 S. 1 BGB), nacheinander und auch nachträglich (Genehmigung, § 184 Abs. 1 BGB) erfolgen.
Rz. 41
Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar darauf gerichtet ist, auf das Recht am Nachlassgegenstand einzuwirken, es also entweder auf einen Dritten zu übertragen, mit einem Recht zu belasten, das Recht aufzuheben oder es sonst wie in seinem Inhalt zu verändern. Jedes dingliche Rechtsgeschäft ist "Verfügung", da es ohne Weiteres auf das Recht am Nachlassgegenstand einwirkt.
Rz. 42
Die (bloße) schuldrechtliche Verpflichtung ist keine Verfügung, da jene noch nicht unmittelbar auf das Recht am Nachlassgegenstand einwirkt. Es gibt jedoch auch im Bereich des Schuldrechts Erklärungen, die unmittelbar ein Schuldverhältnis umgestalten und daher Verfügungen sind (siehe oben Rdn 20 ff.). Zum Beispiel sind der Erlass (§ 397 BGB), die Abtretung (§§ 398 ff. BGB), die befreiende Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) und die Vertragsübernahme Verfügungen i.S.v. § 2033 Abs. 2 BGB. Gestaltungserklärungen wie Anfechtung (§§ 119 ff. BGB), Rücktritt (§ 349 BGB), Aufrechnung (§ 388 BGB) und Kündigung wirken unmittelbar auf ein Recht am Nachlassgegenstand ein und sind daher ebenfalls Verfügungen. Gleichermaßen ist die Zwangsvollstreckung gem. §§ 859 Abs. 2, 857 ZPO Verfügung i.S.v. § 2033 BGB. Aus diesem Grund kann zwar der Nachlassanteil, nicht hingegen der Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen gepfändet werden kann (zur Zwangsvollstreckung siehe § 9 Rdn 45).
3. Rechtsfolgen
a) Verfügung gegenüber der Erbengemeinschaft
Rz. 43
§ 2040 Abs. 1 BGB gilt auch entsprechend für Verfügungen gegenüber der Erbengemeinschaft, obgleich diese vom Wortlaut nicht ausdrücklich umfasst sind. Es folgt jedoch aus dem Rechtsgedanken des Abs. 1: Würde bspw. lediglich ein Miterbe auf Auflassung eines Grundstückes durch Klage in Anspruch genommen und verurteilt werden, so nützt dem Gläubiger das rechtskräftige Urteil wegen Abs. 1 nichts, wenn die übrigen Miterben nun ihrerseits die Auflassung verweigern (zum prozessualen Vorgehen siehe § 9 Rdn 39).
Rz. 44
Bei Verfügungen, die eine Mitwirkung der Erbengemeinschaft nicht erfordern, kann daher nichts anderes gelten. Deswegen sind Gestaltungserklärungen wie Kündigung oder Rücktritt stets gegenüber allen Miterben zu erklären. Bei der Anfechtung ist zu unterscheiden, ob eine Erklärung anzufechten ist, die gegenüber dem Erblasser abgegeben worden war (dann Anfechtung gegenüber allen Miterben als Rechtsnachfolgern) oder eine Erklärung, die lediglich einem Miterben gegenüber abgegeben worden war (dann Anfechtung gegenüber diesem Miterben, wobei die weitere Wirksamkeit des Vertrages dann nach § 139 BGB zu beurteilen ist).