Rz. 68
Nach § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB sind die Miterben einander verpflichtet bei solchen "Maßregeln" mitzuwirken, die für eine "ordnungsmäßige Verwaltung erforderlich" sind. Während also i.R.d. außerordentlichen Verwaltung des Satzes 1 noch ein einstimmiger Beschluss erforderlich ist und jeder Miterbe dort frei entscheiden kann, regelt der Satz 2 für die ordentliche Verwaltung eine Pflicht der Erben an erforderlichen ordnungsmäßigen Verwaltungsmaßnahmen mitzuwirken. Ein Verstoß gegen diese gesetzlich geregelte Pflicht kann zu Schadensersatzansprüchen führen (siehe unten Rdn 123 sowie § 9 Rdn 40 ff.).
Drei Voraussetzungen müssen nach dem Wortlaut der Norm mindestens (zu möglichen weiteren Voraussetzungen bei Verfügungen als Maßnahmen der Verwaltung siehe unten Rdn 77) erfüllt sein, um eine Mitwirkungspflicht eines Miterben auszulösen:
1. |
Maßnahme der "Verwaltung" |
2. |
Maßnahme ist "ordnungsmäßig" |
3. |
Maßnahme ist "erforderlich". |
Rz. 69
§ 2038 Abs. 2 S. 1 BGB verweist auf §§ 743, 745, 746 und 748 BGB und somit auf ausgewählte Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zur Verwaltung, Nutzung und Verteilung von Früchten vor der Auseinandersetzung des Nachlasses. § 2038 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB regeln die Fälligkeit des Anspruches auf Teilung der Früchte (siehe unten Rdn 86).
1. Maßnahme der "Verwaltung"
Rz. 70
Die Mitwirkungspflicht der Miterben setzt zunächst voraus, dass eine Maßnahme der "Verwaltung" vorgenommen werden soll. Zu dem Begriff der Verwaltung i.S.v. § 2038 BGB siehe oben Rdn 52.
2. Maßnahme "ordnungsmäßig"
a) Beurteilungsmaßstab und -zeitpunkt
Rz. 71
Die Mitwirkungspflicht an Verwaltungsmaßnahmen der Erbengemeinschaft besteht ausschließlich bei Maßnahmen, die zur "ordnungsmäßigen" Verwaltung erforderlich sind. Ordnungsmäßige Verwaltung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 745 BGB umfasst alle Maßnahmen, die der Beschaffenheit des betreffenden Nachlassgegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen. Die Frage der Ordnungsmäßigkeit ist an dem Verhalten einer verständigen Person in der gleichen Situation zu beurteilen. Maßgebend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zum Zeitpunkt, in dem die Handlung vorgenommen werden soll. "Vernünftig" und "wirtschaftlich" ist es, bei mehreren Wegen die zum gleichen Erfolg führen, den einfacheren und leichteren Weg zu wählen. Ann formuliert zu diesem Beurteilungsmaßstab plastisch:
Zitat
"Kernproblem dieses Verfahrens ist der Mangel an Rechtssicherheit. Prospektiv ist häufig nicht genau erkennbar, was ein Richter retrospektiv als die prospektive Einschätzung einer verständigen Person ansehen wird. Unsicherheit und daraus folgende Risikoscheu sind so gerade in Grenzfällen kaum vermeidbar."
Rz. 72
Stellt sich im Nachhinein heraus, dass eine Verwaltungsmaßnahme im Außenverhältnis vertragswidrig gewesen ist, so kann es sich gleichwohl noch um eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gehandelt haben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei der Beschlussfassung
Zitat
"die Rechtslage auch nach Einholung von Rechtsrat nicht zuverlässig einzuschätzen war. Könnten vernünftige Maßnahmen nur dann mehrheitlich beschlossen werden, wenn ihre Umsetzung rechtlich unzweifelhaft ist, liefe dies auf eine – die Entscheidungsbefugnisse der Mehrheit weitgehend einschränkende – unzulässige Zweckmäßigkeitskontrolle hinaus."
b) Keine wesentliche Veränderung
Rz. 73
Eine wesentliche Veränderung des Nachlassgegenstandes ist keine ordnungsmäßige Verwaltung mehr und kann daher weder mehrheitlich beschlossen noch verlangt werden, § 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 745 Abs. 3 BGB. "Wesentlich" ist eine Veränderung, wenn durch die beabsichtigte Verwaltungsmaßnahme die Zweckbestimmung oder Gestalt des Nachlasses in einschneidender Weise geändert werden würde. Die einem Miterben zustehende Nutzung und das Vermögen der Erbengemeinschaft darf weder gefährdet noch gemindert werden. Die Veräußerung eines von mehreren Nachlassgrundstücken ist eine bloße Umstrukturierung des Gesamtnachlasses, da im Wege der dinglichen Surrogation (§ 2041 S. 1 BGB) anstelle der Immobilie dann der Verkaufserlös tritt. Die Umwandlung von einem fast ausschließlich aus Immobilien bestehenden Nachlass in Bar- und Wertpapiervermögen wäre demgegenüber regelmäßig eine wesentliche Veränderung. Der anlassbezogene Verkauf einer von vielen Eigentumswohnungen aus dem Nachlass muss hingegen keine wesentliche Veränderung darstellen.
Rz. 74
Der BGH hat im Jahr 2005 die umstrittene Frage, was unter "Gegenstand" i...