Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
a) Grundsätze
Rz. 297
Wird ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft von dem/den Erben fortgeführt, finden auf die Haftung des/der Erben für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 HGB (vgl. oben Rdn 231 ff.) entsprechende Anwendung (§ 27 Abs. 1 HGB). Danach haftet der Erbe für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des Erblassers. Die Haftung des Erben ist also im Anwendungsbereich des § 25 HGB nicht auf den Nachlass beschränkt. Die erbrechtlichen Haftungsbeschränkungen werden somit durch die handelsrechtlichen Normen außer Kraft gesetzt.
Rz. 298
Allerdings tritt die unbeschränkte Haftung nicht ein, wenn die Erben die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablauf von drei Monaten nach dem Zeitpunkt einstellen, in welchem sie von dem Erbfall Kenntnis erlangt haben (§ 27 Abs. 2 S. 1 HGB). In diesem Fall greifen die allgemeinen Regeln der §§ 1967 ff. BGB mit der Möglichkeit, die beschränkte Erbenhaftung, d.h. also die auf den Nachlass begrenzte Haftung, geltend zu machen. Voraussetzung hierfür ist allerdings die vollständige Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit (im Zusammenhang mit dem ererbten Unternehmen), die nachträgliche Änderung der Firma (also nach Fristablauf) genügt nicht. Die Entscheidung über die Fortführung oder Einstellung des Unternehmens stellt eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dar, die die Miterben nur einstimmig treffen können. Einzelne Miterben können isoliert nicht das Unternehmen einstellen. Sie haben lediglich die Möglichkeit, nach § 2042 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen (was kaum innerhalb der Frist umsetzbar ist) bzw. sich im Rahmen einer – ggf. personell nur teilweisen – Erbauseinandersetzung aus der Erbengemeinschaft herauszulösen.
Rz. 299
Im Übrigen sollte es möglich sein, die unbeschränkte Haftung für die ererbten Unternehmensverbindlichkeiten entsprechend § 25 Abs. 2 HGB durch kundgemachte Erklärung auszuschließen. Obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Punkt liegt zwar leider nicht vor. Für die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung durch Kundmachung spricht aber der Wortlaut des § 27 Abs. 1 HGB, der uneingeschränkt auf die Vorschriften des § 25 HGB und damit auch auf § 25 Abs. 2 HGB verweist (Rechtsgrundverweisung). Die Anmeldung des Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB ist aber auf jeden Fall unverzüglich in der gehörigen Form (notariell beglaubigt) vorzunehmen.
b) Besonderheiten beim Erwerb durch eine Erbengemeinschaft
Rz. 300
Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, wird das Einzelunternehmen nach § 2032 Abs. 1 BGB gemeinschaftliches Vermögen. Es kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ohne zeitliche Begrenzung in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt werden. Eine Änderung der Rechtsform, insbesondere die (automatische) Entstehung einer GbR oder OHG, ist hiermit nicht verbunden. Auch das nachträgliche Ausscheiden einzelner Miterben bzw. eine personenbezogene Teilerbauseinandersetzung ändern hieran nichts, solange noch wenigstens zwei Miterben verbleiben. Bei der Vererbung eines einzelkaufmännischen Unternehmens kommt es demzufolge also nicht zur Entstehung von Gesellschaftsanteilen, sondern lediglich von Miterbenanteilen. Auch bei Fortführung des Einzelunternehmens über die Drei-Monatsfrist des § 27 Abs. 2 HGB hinaus findet keine zwangsweise Umwandlung statt.
Rz. 301
Bei der Fortführung eines Einzelunternehmens durch eine Erbengemeinschaft ergibt sich – neben den haftungsrechtlichen Folgen (vgl. oben Rdn 297 f.) – eine Reihe zivilrechtlicher Probleme, insbesondere im Hinblick auf die Vertretung und Verwaltung. Das liegt in erster Linie daran, dass die Erbengemeinschaft eine auf Auseinandersetzun...