Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
Rz. 377
Auf Ebene der Erben bzw. Vermächtnisnehmer des verstorbenen Gesellschafters stellt der Erwerb der Geschäftsanteile bzw. Aktien zunächst einen Erwerb von Todes wegen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. So lange der Kapitalgesellschaftsanteil beim Erben bzw. Vermächtnisnehmer des verstorbenen Gesellschafters verbleibt, also keine Einziehung oder Zwangsabtretung stattfindet, sind die Verschonungsregeln selbstverständlich ohne Weiteres anwendbar, so dass – die Erfüllung sämtlicher weiterer Bedingungen vorausgesetzt – eine sehr weitgehende Verschonung eintreten kann.
Rz. 378
Wird jedoch der ererbte (oder vermachte) Kapitalgesellschaftsanteil eingezogen oder (zwangs)abgetreten, führt dies wenigstens zum Verlust der Verschonungen. In Fällen des § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG, also bei Vorliegen einer abschließenden gesellschaftsvertraglichen Regelung über die Einziehung bzw. die Zwangsabtretung, gilt als Gegenstand des steuerpflichtigen Erwerbs von vornherein lediglich der Abfindungsanspruch, nicht der Anteil selbst. Mithin scheidet eine Anwendung von §§ 13a ff. ErbStG aus.
Rz. 379
Im Fall der Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils nach § 34 GmbHG geht der zunächst auf die Erben übergegangene Anteil unter. Soweit kein vollwertiges Einziehungsentgelt gezahlt wird, kommt es zu einer Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 ErbStG. Die verbleibenden Mitgesellschafter gelten dann als um die Differenz zwischen dem steuerlich maßgeblichen, also dem gemeinen Wert des eingezogenen Anteils (i.S.v. § 9 BewG), und der zu leistenden Abfindung (steuerpflichtig) bereichert. Steuerpflichtige (Erwerb) sind laut Gesetz die Mitgesellschafter, nicht die Gesellschaft.
Rz. 380
Werden im Rahmen eine Zwangsabtretung die Anteile an die Gesellschaft selbst abgetreten, ist die Gesellschaft selbst Erwerberin. Die Anteile gehen in diesem Fall auch nicht unter, sie bestehen vielmehr in der Hand der Gesellschaft fort.
Rz. 381
Wer in diesen Fällen als Erwerber im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne anzusehen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, auf welche Weise die Entscheidung über die Identität des Abtretungsempfängers getroffen wird.
Rz. 382
Soweit – wie regelmäßig – der den Anteil erwerbende neue Gesellschafter ein unter dem gemeinen Wert liegendes Entgelt zu leisten hat, ist natürlich auch er steuerpflichtig bereichert, und zwar gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Weder § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 noch § 7 Abs. 7 ErbStG finden auf den neuen Gesellschafter Anwendung, da beide Vorschriften grundsätzlich einen Übergang von Gesellschaftsanteilen auf die Gesellschaft selbst oder auf Mitgesellschafter voraussetzen. Diese Bedingung ist bei einer Abtretung von der Gesellschaft an den Eintretenden nicht erfüllt.
Rz. 383
Ist aber der Empfänger der Zwangsabtretung bereits gesellschaftsvertraglich vorgegeben, richtet sich die Besteuerung danach, ob es sich bei ihm um einen Mitgesellschafter oder einen Außenstehenden handelt.
Rz. 384
Beim Mitgesellschafter ergibt sich die Steuerpflicht grundsätzlich aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG. Soweit die Einziehung in einer GmbH-Satzung bereits – und sei es auch nur für bestimmte Erben – fest vereinbart ist, also die Einziehung seitens der Gesellschaft ohne weitere Gesellschafterbeschlüsse verlangt werden kann, besteht auch eine Steuerpflicht nach § 7 Abs. 7 S. 3 ErbStG. Denn auch Fälle dieser Art fallen unter § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG und werden daher – zusätzlich zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG – von § 7 Abs. 7 S. 3 ErbStG erfasst.
Rz. 385
Die Frage, ob und inwieweit die Verschonungsregelungen der §§ 13a ff. ErbStG in Betracht kommen, hängt – neben der Erreichung der Mindestbeteiligungsquote – in erster Linie davon ab, was bei Durchführung der einzelnen Einziehungs- bzw. Abtretungsklauseln im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne Erwerbsgegenstand ist und in welchem Verhältnis (Erblasser/Gesellschaft; Erblasser/Mitgesellschafter; Erblasser/Dritter; Gesellschaft/Dritter) sich dieser Erwerb vollzieht.
Rz. 386
Da § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG einen Übergang von Anteilen an Kapitalgesellschaften voraussetzt, kommt eine Verschonung in Einziehungsfällen von vornherein nicht in Frage. Der betroffene Anteil geht unter, nicht über. Die Grundvoraussetzung von § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist nicht erfüllt.
Rz. 387
Gehen die von Todes wegen erworbenen Kapitalgesellschaftsanteile aber im Wege der Zwangsabtretung auf einen Erwerber (die Gesellschaft selbst, die Mitgesellschafter oder einen oder mehrere Dritte) über, ist § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG grundsätzlich auch auf den Weiterübertragungs-Vorgang anwendbar.