Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
aa) Grundsätzliches
Rz. 231
Auch wenn, wie eben ausgeführt, ein Übergang von Verbindlichkeiten prinzipiell nicht möglich ist, führt der Erwerb eines Einzelunternehmens regelmäßig dazu, dass der Erwerber für die vor dem Erwerb begründeten Geschäftsverbindlichkeiten neben dem ursprünglichen Inhaber/Veräußerer haftet (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB, beim Erwerb von Todes wegen: § 27 Abs. 1 HGB). Dies gilt insbesondere dann, wenn die bisherige Firma, der Name unter dem das Unternehmen bzw. der bisherige Unternehmer im Geschäftsverkehr auftreten bzw. aufgetreten sind (§ 17 HGB), fortgeführt wird. Bei Nichtfortführung der Firma setzt die Haftung einen "besonderen Verpflichtungsgrund" voraus (§ 25 Abs. 3 HGB). Die Haftung für Alt-Verbindlichkeiten kann aber nach § 25 Abs. 2 HGB ausgeschlossen werden. Erforderlich hierfür ist zum einen eine dementsprechende Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber, zum anderen deren "handelsübliche Bekanntmachung".
Rz. 232
Grundlage der Ausdehnung der Haftung des Erwerbers auch auf durch seinen Vorgänger in der Unternehmerstellung begründete Geschäftsverbindlichkeiten ist der Leitgedanke der Kontinuität des Unternehmens nach außen, die sich insbesondere in der Fortführung der Firma manifestiert. Der Rechtsverkehr ist wegen dieser Firmenfortführung oftmals gar nicht in der Lage, den Inhaberwechsel überhaupt zu erkennen. Insoweit sah der Gesetzgeber hier eine Notwendigkeit, den Rechtsverkehr typisierend und ohne nach dem konkreten Rechtsschein zu fragen, zu schützen.
bb) Voraussetzungen der Haftung
Rz. 233
Eine Haftung für Altverbindlichkeiten setzt gem. § 25 Abs. 1 HGB zunächst voraus, dass ein Handelsgeschäft fortgeführt wird. Gemeint ist hiermit nach h.M. ein kaufmännisches Handelsgeschäft, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob es im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Auf Nichtkaufleute ist § 25 HGB nicht anwendbar. Hier kommt nur im konkreten Einzelfall eine Rechtsscheinhaftung in Betracht, wenn der Erwerber die Bezeichnung des Geschäfts fortführt. Allerdings gilt der im Handelsregister eingetragene Kleingewerbetreibende nach § 2 S. 1 HGB als Kaufmann, so dass § 25 HBG auch auf ihn anwendbar ist.
Rz. 234
Das übertragungsgegenständliche Handelsgeschäft muss im Zeitpunkt des Erwerbs bestehen und auch tatsächlich betrieben werden. Das ist nicht der Fall, wenn der Betrieb bereits eingestellt wurde. Eine vorübergehende Stilllegung, z.B. wegen Insolvenz, steht der Anwendbarkeit von § 25 HGB aber nicht entgegen, soweit die wesentlichen Grundlagen des Handelsgeschäfts, insbesondere die Organisation und die Geschäftsbeziehungen, noch fortgeführt werden können.
Rz. 235
Weitere Voraussetzung der Anwendbarkeit von § 25 Abs. 2 HGB ist, dass das Handelsgeschäft unter einer Firma geführt wird, die der Erwerber fortführen kann.
Rz. 236
Auf welche Weise sich der Erwerb des Unternehmens vollzieht, ist für die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 HGB unbeachtlich. Erwerb im Sinne der Vorschrift ist jede Unternehmensübertragung bzw. Unternehmensüberlassung, sei es durch Kauf, Schenkung oder auf andere Weise, insbesondere durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen. Auch die Fortführung eines verpachteten Betriebs kann für den Pächter die Folgen des § 25 Abs. 1 HGB nach sich ziehen. Nicht anwendbar ist § 25 Abs. 1 S. 1 HGB allerdings beim Erwerb vom Insolvenzverwalter, da sonst das insolvente Unternehmen de facto unveräußerlich wäre. Die Altgläubiger erhalten hier also nur die ihnen zustehende Quote aus einem etwaigen Veräußerungserlös. Auch bei Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz gehen dessen spezielle Vorschriften der allgemeinen Regelung des § 25 HGB vor.
Rz. 237
Der Erwerb des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB ist ein rein tatsächlicher Vorgang. Ebenso wenig wie es auf den Charakter des Verpflichtungsgeschäfts (Kauf, Schenkung etc.) ankommt, spielen etwaige Mängel im Übertragungsvertrag keine entscheidende Rolle. Selbst bei schwebender Unwirksamkeit oder gar vollständiger Nichtigkeit bleibt § 25 HGB anwendbar. Dasselbe gilt sogar dann, wenn überhaupt kein Übertragungsvertrag geschlossen wurde. Konsequenterweise wirken sich auch etwaige Sachmängel oder Gewährleistungsansprüche des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer nicht auf die Haftung gegenüber Dritten aus. Im Extremfall bleibt § 25 Abs. 1 S. 1 HGB selbst dann anwendbar, wenn der Betrieb im Rahmen einer Rückabwicklung der Übertragung an den Veräußerer zurückgegeben wurde.
Rz. 238
Vom tatsächlichen Übergang erfasst sein müssen sowohl das Handelsgeschäft als auch die bisherige Firma. Dabei genügt für den Übergang des Handelsgeschäfts die Fortführung dessen wesentlichen Kerns. Auch die Übernahme eines wesentlichen Unternehmensteils kann genügen. Allerdings haftet der Erwerber in diesem Fall nicht f...