Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
aa) Zulässigkeit vom Gesetz abweichender Vereinbarungen
Rz. 307
Wie sich aus den genannten Vorschriften ergibt, haben die Gesellschafter die Möglichkeit, von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Vereinbarungen zu treffen. In der Praxis sind vor allem die nachfolgend genannten Gesellschaftsvertragsklauseln anzutreffen, aus denen sich sehr unterschiedliche und beim Vertragsschluss oftmals vernachlässigte Rechtsfolgen und daraus resultierende Liquiditätsbelastungen (z.B. durch Pflichtteilsansprüche und/oder Erbschaftsteuerbelastungen, vgl. unten Rdn 360 ff.) ergeben können.
bb) Fortsetzungsklausel, Möglichkeiten der Abfindungsbeschränkung
Rz. 308
Als Fortsetzungsklauseln, denen im Bereich der Personenhandelsgesellschaften vor allem vor Inkrafttreten des HRefG erhebliche praktische Bedeutung zukam und die für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach wie vor wesentliche Gestaltungsinstrumente bilden, werden solche Regelungen bezeichnet, denen zufolge die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird.
Rz. 309
Der verstorbene Gesellschafter scheidet im Zeitpunkt seines Todes aus der Gesellschaft aus. Damit erlöschen automatisch auch alle ihm bis dato zustehenden gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte. Die gesamthänderische Beteiligung des Verstorbenen wächst automatisch den übrigen (Mit-)Gesellschaftern gem. § 105 Abs. 3 HGB, § 738 Abs. 1 S. 1 BGB an.
Rz. 310
Formulierungsbeispiel: Fortsetzungsklausel
Stirbt einer der Gesellschafter, so wird die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Den Erben des verstorbenen Gesellschafters steht entsprechend dem Anteil des Erblassers ein Abfindungsanspruch zu. Die Höhe des Abfindungsanspruchs berechnet sich nach den Buchwerten ohne Berücksichtigung der stillen Reserven und eines eventuell vorhandenen Firmenwertes (good will). Ebenso unberücksichtigt bleiben bei der Bewertung die noch nicht abgewickelten Geschäfte.
cc) Abfindungsanspruch und Abfindungsbeschränkungen
(1) Gesetzliche Ausgangssituation
Rz. 311
In den Nachlass fällt (bestenfalls) ein Abfindungsanspruch gem. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB (ggf. i.V.m. § 105 Abs. 3 HGB, § 161 Abs. 2 HGB), der sich in erster Linie gegen die Gesellschaft (als solche) richtet. Für die Wertbemessung des Abfindungsanspruchs ist nach der Rechtsprechung des BGH vom Ertragswert des Anteils auszugehen. Da die Fortsetzungsklausel gerade eine Fortführung der Gesellschaft sichern soll, muss es hier auf den Fortführungswert und nicht etwa auf den Liquidationswert ankommen. Maßgeblich ist also der tatsächliche Wert, der entweder (traditionell) nach dem Ertragswertverfahren oder nach der Discounted Cash-Flow-Method zu ermitteln ist.
Rz. 312
Um die sich bei einer Bestimmung des Abfindungsanspruchs nach diesen Kriterien ergebende Liquiditätsbelastung der Gesellschaft, die durchaus existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann, sowie langwierige Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft und den Erben des Verstorbenen zu vermeiden, wird die Fortsetzungsklausel in der Praxis oftmals durch eine Abfindungsklausel flankiert.
(2) Grundsätzliche Möglichkeit der Abfindungsbeschränkung
Rz. 313
Da die gesellschaftsrechtlichen Regelungen weitgehend dispositiv sind und dies nach h.M. insbesondere auch für § 738 Abs. 1 S. 2 BGB gilt, können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich eigene Regelungen bezüglich der Höhe oder der Fälligkeit beim Ausscheiden von Gesellschaftern entstehender Abfindungsansprüche treffen. Derartige Vereinbarungen unterliegen nach h.M. keinen besonderen formalen Anforderungen, insbesondere auch nicht nach § 2301. In der Praxis sind Abfindungsklauseln in den verschiedensten Erscheinungsformen sehr häufig anzutreffen. Dabei steht zumeist die Absicherung der Gesellschaft gegen unerwartete und mitunter sehr erhebliche Liquiditätsabflüsse im Vordergrund. Denn eine "vollwertige", sofort fällige Abfindung geht in vielen Fällen über die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens hinaus und kann daher leicht ganz erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten auslösen.
Rz. 314
Weiterhin haben Abfindungsklauseln den Vorteil, dass Unklarheiten oder gar Streitigkeiten über die im Ausscheidensfall anzuwendende Bewertungsmethode und über die Höhe des Abfindungsanspruchs vermieden werden. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Rationalisierungs- und Schlichtungsfunktion gesprochen.
Rz. 315
Es stellt sich jedoch die Frage, wo die Grenzen der Gestaltungsfreiheit gesellschaftsver...