Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
Rz. 43
Bei gemeinschaftlichen Testamenten sieht das Gesetz insofern eine Formerleichterung vor, als dass es ausreicht, wenn einer der beiden Eheleute das Testament in der Form des § 2247 BGB errichtet, eigenhändig unterschreibt und der andere Ehegatte eigenhändig mitunterzeichnet, § 2267 S. 1 BGB. Das kann beispielsweise mit den Worten "Das ist auch mein letzter Wille. Ort, Datum, Unterschrift" geschehen.
Rz. 44
Die bekannteste Form des gemeinschaftlichen Testamentes stellt das sog. "Berliner Testament" dar. Danach setzen sich Eheleute für den ersten Erbfall gegenseitig zu Erben ein, Schlusserben sind dritte Personen, in der Regel die gemeinsamen Kinder. Das Grundmodell des Berliner Testaments ist in § 2269 Abs. 1 BGB geregelt.
Die Gestaltung eines Berliner Testaments kann sowohl in der Einheitslösung, als auch in der Trennungslösung erfolgen. Die Einheitslösung sieht den Grundfall vor: Gegenseitige Vollerbeneinsetzung im ersten Erbfall und Schlusserbenbestimmung nach dem Tod des Letztversterbenden. Bei der Trennungslösung werden die einzelnen Vermögensmassen der Eheleute voneinander getrennt: Im ersten Erbfall wird der Überlebende lediglich Vorerbe des Erstverstorbenen. Nacherben werden Dritte, die sodann auch als Schlusserben des Längerlebenden bedacht sind. Bei Auslegungsschwierigkeiten greift die gesetzliche Auslegungsregel des § 2269 BGB: Im Zweifel ist von der Einheitslösung auszugehen.
Rz. 45
All diese Modelle haben gemeinsam, dass stets zwei Erbfälle geregelt werden. Parallel hierzu gibt es aber auch Konstruktionen, die lediglich einen Erbfall regeln. Danach werden meist die Kinder oder dritte Personen direkt als Erben des Erstversterbenden bestimmt, während der länger lebende Ehegatte mit Vermächtnissen (z.B. Nießbrauch am Immobilienvermögen) bedacht wird.
Rz. 46
Im Rahmen von gemeinschaftlichen Testamenten muss stets geprüft und festgelegt werden, ob die Eheleute den getroffenen letztwilligen Verfügungen Bindungswirkung beimessen. Ist dies der Fall, kann sich jeder der Eheleute nicht mehr einseitig von der einmal getroffenen Verfügung lösen. Zu Lebzeiten des Partners ist dies nur durch einen Widerruf nach den §§ 2271 Abs. 1 S. 1, 2296 BGB (höchstpersönliche, empfangsbedürftige Willenserklärung in notarieller Form) möglich.
Rz. 47
Wichtig
Ist einer der Eheleute geschäftsunfähig und möchte der andere Ehegatte das gemeinschaftliche Testament widerrufen, ist umstritten, ob der Widerruf gegenüber einem Betreuer wirksam ist. Anerkannt ist, dass bei Willenserklärungen mit erbrechtlichem Bezug, wie z.B. bei der Anfechtung/Aufhebung eines Erbvertrages und beim Abschluss/der Aufhebung eines Erbverzichtsvertrages ein Betreuer rechtswirksam handeln kann. Nachdem allerdings die Testamentserrichtung Höchstpersönlichkeit voraussetzt, muss diese Höchstpersönlichkeit nach der Kehrseitentheorie auch für den Widerruf vorliegen mit der Konsequenz, dass ein Widerruf durch einen Betreuer nicht möglich ist.
Rz. 48
Nach Eintritt des ersten Erbfalles kann der überlebende Ehegatte keinen Widerruf mehr erklären. Allerdings kann ein zu Lebzeiten wirksam erklärter Widerruf auch nach dem Tod des widerrufenden Ehegatten noch (eingeschränkt) zugehen.
Rz. 49
Im Rahmen der Bindungswirkung und Wechselbezüglichkeit von letztwilligen Verfügungen, die im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testamentes getroffen wurden, muss jede Verfügung einzeln geprüft werden. Dabei sind lediglich Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen der Bindungswirkung fähig, § 2270 Abs. 3 BGB. Alle anderen Verfügungen, wie beispielsweise die Anordnung einer Testamentsvollstreckung oder einer Teilungsanordnung, unterliegen somit nicht der Bindungswirkung und können einseitig widerrufen, aufgehoben oder abgeändert werden. Hier besteht allenfalls die Möglichkeit der Anfechtung.
Rz. 50
Wichtig
Im Rahmen der Erstellung von gemeinschaftlichen Testamenten sollte der Berater stets darauf hinweisen, dass die Möglichkeit besteht, Öffnungsklauseln in die Urkunde mit aufzunehmen. So können die Eheleute selbst bestimmen, welche Verfügungen in welchem Umfang bindend sein sollen. Es bietet sich hier beispielsweise an, die Bindungswirkung insoweit zu lockern, als dass der längerlebende Ehegatte die Quoten innerhalb der Schlusserben nach dem Tod des Erstversterbenden abändern oder weitere Vermächtnisse anordnen darf. Auf diese Weise kann ein höheres Maß an Flexibilität im Hinblick auf die nicht vorhersehbare unterschiedliche Entwicklung der Kinder erreicht werden.
Möglich ist auch, zu verfügen, dass die Bindungswirkung erst nach dem Tod des Erstversterbenden (und nicht bereits zu Lebzeiten) eintreten soll. Hierdurch können Probleme, die sich im Zusammenhang mit einer Geschäftsunfähigkeit des anderen Ehegatten ergeben, vermieden werden.
Rz. 51
Im Rahmen von gemeinschaftlichen Testamenten können die Eheleute verfügen, dass im Falle der Wiederverheiratung des Längerlebenden bestimmte Sanktionen zum Schutz der begünstigten Schlusserben eintreten sollen. Das hat folgenden ...