Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
Rz. 233
Eine Haftung für Altverbindlichkeiten setzt gem. § 25 Abs. 1 HGB zunächst voraus, dass ein Handelsgeschäft fortgeführt wird. Gemeint ist hiermit nach h.M. ein kaufmännisches Handelsgeschäft, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob es im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Auf Nichtkaufleute ist § 25 HGB nicht anwendbar. Hier kommt nur im konkreten Einzelfall eine Rechtsscheinhaftung in Betracht, wenn der Erwerber die Bezeichnung des Geschäfts fortführt. Allerdings gilt der im Handelsregister eingetragene Kleingewerbetreibende nach § 2 S. 1 HGB als Kaufmann, so dass § 25 HBG auch auf ihn anwendbar ist.
Rz. 234
Das übertragungsgegenständliche Handelsgeschäft muss im Zeitpunkt des Erwerbs bestehen und auch tatsächlich betrieben werden. Das ist nicht der Fall, wenn der Betrieb bereits eingestellt wurde. Eine vorübergehende Stilllegung, z.B. wegen Insolvenz, steht der Anwendbarkeit von § 25 HGB aber nicht entgegen, soweit die wesentlichen Grundlagen des Handelsgeschäfts, insbesondere die Organisation und die Geschäftsbeziehungen, noch fortgeführt werden können.
Rz. 235
Weitere Voraussetzung der Anwendbarkeit von § 25 Abs. 2 HGB ist, dass das Handelsgeschäft unter einer Firma geführt wird, die der Erwerber fortführen kann.
Rz. 236
Auf welche Weise sich der Erwerb des Unternehmens vollzieht, ist für die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 1 HGB unbeachtlich. Erwerb im Sinne der Vorschrift ist jede Unternehmensübertragung bzw. Unternehmensüberlassung, sei es durch Kauf, Schenkung oder auf andere Weise, insbesondere durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen. Auch die Fortführung eines verpachteten Betriebs kann für den Pächter die Folgen des § 25 Abs. 1 HGB nach sich ziehen. Nicht anwendbar ist § 25 Abs. 1 S. 1 HGB allerdings beim Erwerb vom Insolvenzverwalter, da sonst das insolvente Unternehmen de facto unveräußerlich wäre. Die Altgläubiger erhalten hier also nur die ihnen zustehende Quote aus einem etwaigen Veräußerungserlös. Auch bei Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz gehen dessen spezielle Vorschriften der allgemeinen Regelung des § 25 HGB vor.
Rz. 237
Der Erwerb des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB ist ein rein tatsächlicher Vorgang. Ebenso wenig wie es auf den Charakter des Verpflichtungsgeschäfts (Kauf, Schenkung etc.) ankommt, spielen etwaige Mängel im Übertragungsvertrag keine entscheidende Rolle. Selbst bei schwebender Unwirksamkeit oder gar vollständiger Nichtigkeit bleibt § 25 HGB anwendbar. Dasselbe gilt sogar dann, wenn überhaupt kein Übertragungsvertrag geschlossen wurde. Konsequenterweise wirken sich auch etwaige Sachmängel oder Gewährleistungsansprüche des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer nicht auf die Haftung gegenüber Dritten aus. Im Extremfall bleibt § 25 Abs. 1 S. 1 HGB selbst dann anwendbar, wenn der Betrieb im Rahmen einer Rückabwicklung der Übertragung an den Veräußerer zurückgegeben wurde.
Rz. 238
Vom tatsächlichen Übergang erfasst sein müssen sowohl das Handelsgeschäft als auch die bisherige Firma. Dabei genügt für den Übergang des Handelsgeschäfts die Fortführung dessen wesentlichen Kerns. Auch die Übernahme eines wesentlichen Unternehmensteils kann genügen. Allerdings haftet der Erwerber in diesem Fall nicht für sämtliche Verbindlichkeiten, sondern nur für diejenigen, die in dem auf ihn übergegangenen Unternehmensteil begründet wurden.
Rz. 239
Wesentlich ist, dass der Erwerber das Unternehmen bzw. den Unternehmensteil (sowie die Firma) tatsächlich fortführt, wobei Änderungen des Erscheinungsbildes, beispielsweise der Rechtsform, einer Fortführung nicht entgegenstehen. Äußeres Zeichen der Fortführung ist in der Regel die Beibehaltung der bisherigen Firma, wobei es genügt, wenn diese in ihrem Kern erhalten bleibt. Entscheidend ist also nicht die wort- bzw. buchstabengetreue Übereinstimmung mit der bisherigen Firmierung; entscheidend ist allein die Firmenidentität nach der Verkehrsanschauung. Auch hier ist die tatsächliche Fortführung aus der Sicht des Rechtsverkehrs entscheidend. Auf die Einwilligung des bisherigen Firmeninhabers kommt es nicht an. Auch die Beifügung eines die Fortführung andeutenden Nachfolgezusatzes ist unerheblich.