Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
1. Grundsätzliche Vererblichkeit
Rz. 295
Die Vererbung eines kaufmännischen Einzelunternehmens unterscheidet sich, zivilrechtlich betrachtet, zunächst nicht von der Vererbung von Bestandteilen des Privatvermögens. Denn bei einem Einzelunternehmen gehören regelmäßig sämtliche Vermögensgegenstände, d.h. sowohl die Aktiva als auch die Passiva, zum Vermögen des Unternehmers. Soweit sie vererblich sind, gehen sie daher im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auf den oder die Erben über. Infolgedessen kennt weder das Erbrecht noch das Handelsrecht an sich den Begriff des Einzelunternehmens im technischen Sinne. Allerdings wird durch die Regelung in § 27 HGB deutlich, dass zum einen das Einzelunternehmen in seiner Gesamtheit vererblich ist und sich zum anderen hierbei besondere handelsrechtliche Folgen, insbesondere Haftungsfolgen ergeben.
Rz. 296
Nicht vererblich ist die Kaufmannseigenschaft des Erblassers. Sie ist vielmehr höchstpersönlicher Natur. Im Falle der Fortführung des Unternehmens begründet der Erbe aber unwillkürlich seine eigene Kaufmannseigenschaft.
2. Handelsrechtliche Haftungsfolgen
a) Grundsätze
Rz. 297
Wird ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft von dem/den Erben fortgeführt, finden auf die Haftung des/der Erben für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 HGB (vgl. oben Rdn 231 ff.) entsprechende Anwendung (§ 27 Abs. 1 HGB). Danach haftet der Erbe für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des Erblassers. Die Haftung des Erben ist also im Anwendungsbereich des § 25 HGB nicht auf den Nachlass beschränkt. Die erbrechtlichen Haftungsbeschränkungen werden somit durch die handelsrechtlichen Normen außer Kraft gesetzt.
Rz. 298
Allerdings tritt die unbeschränkte Haftung nicht ein, wenn die Erben die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablauf von drei Monaten nach dem Zeitpunkt einstellen, in welchem sie von dem Erbfall Kenntnis erlangt haben (§ 27 Abs. 2 S. 1 HGB). In diesem Fall greifen die allgemeinen Regeln der §§ 1967 ff. BGB mit der Möglichkeit, die beschränkte Erbenhaftung, d.h. also die auf den Nachlass begrenzte Haftung, geltend zu machen. Voraussetzung hierfür ist allerdings die vollständige Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit (im Zusammenhang mit dem ererbten Unternehmen), die nachträgliche Änderung der Firma (also nach Fristablauf) genügt nicht. Die Entscheidung über die Fortführung oder Einstellung des Unternehmens stellt eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dar, die die Miterben nur einstimmig treffen können. Einzelne Miterben können isoliert nicht das Unternehmen einstellen. Sie haben lediglich die Möglichkeit, nach § 2042 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen (was kaum innerhalb der Frist umsetzbar ist) bzw. sich im Rahmen einer – ggf. personell nur teilweisen – Erbauseinandersetzung aus der Erbengemeinschaft herauszulösen.
Rz. 299
Im Übrigen sollte es möglich sein, die unbeschränkte Haftung für die ererbten Unternehmensverbindlichkeiten entsprechend § 25 Abs. 2 HGB durch kundgemachte Erklärung auszuschließen. Obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Punkt liegt zwar leider nicht vor. Für die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung durch Kundmachung spricht aber der Wortlaut des § 27 Abs. 1 HGB, der uneingeschränkt auf die Vorschriften des § 25 HGB und damit auch auf § 25 Abs. 2 HGB verweist (Rechtsgrundverweisung). Die Anmeldung des Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB ist aber auf jeden Fall unverzüglich in der gehörigen Form (notariell beglaubigt) vorzunehmen.