Rz. 189
Zur Voraussetzung der Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen ist festzustellen, dass sie grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängt. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass berücksichtigt werden kann, dass die Grundrechte der betroffenen Person durch die Datenverarbeitung unterschiedlich stark beeinträchtigt sein können, je nachdem, ob die in Rede stehenden Daten öffentlich zugänglich sind oder nicht.
Rz. 190
Wie die Abwägung im konkreten Fall vorzunehmen ist und welche Einzelkriterien in den Abwägungsvorgang einzustellen sind, beschreibt die Art. 29 Datenschutzgruppe ausführlich im Rahmen Ihrer Stellungnahme 06/2014, deren Studium zur Beurteilung konkreter – hier naturgemäß nicht vollumfänglich beschreibbarer – Einzelfälle dringend angeraten wird.
a) Stellenwert, Charakter und Quelle des berechtigten Intereses
Rz. 191
Im Rahmen der Interessenabwägung kann zwar zunächst jedes im Rahmen der Rechtsordnung zulässigerweise verfolgte Interesse als "berechtigt" angesehen und in den Abwägungsvorgang eingestellt werden, gleichwohl sollte der Stellenwert des konkret verfolgten Verantwortlichen-Interesses genau bestimmt werden.
aa) Wahrnehmung eigener Grundrechtspositionen oder Grundfreiheiten
Rz. 192
So können der Verantwortliche oder der Dritte mit der Verfolgung ihres Interesses ihrerseits zugleich grundrechtlich geschützte Ziele verfolgen oder die Wahrnehmung von Grundfreiheiten beabsichtigen, so dass innerhalb der nach Art. 6 Abs. 1 lt. f) DSGVO vorzunehmenden Interessenabwägung eine Normenkollision von Grundrechten in Betracht kommt, bei der grundrechtlich geschützte Rechtsgüter des Verantwortlichen (oder eines Dritten) und grundrechtlich geschützte Rechtsgüter der von der Verarbeitung betroffenen Person gegeneinander abgewogen werden müssen. Dabei gilt auch in der datenschutzrechtlichen Betrachtung, dass die Problemlösung in einer Weise erfolgen muss, dass die beiden Grundrechtspositionen "zu einer optimalen Wirksamkeit gelangen können" Dabei darf nicht eines der Grundrechte auf Kosten des anderen im Sinne einer vorschnellen Güterabwägung realisiert werden. Vielmehr erfordert das Prinzip der Einheit der in der GRCh dargelegten Grundrechte im Ausgangspunkt eine "simultane Optimierung" beider Rechtspositionen.
Rz. 193
Ebenso (wie auf Seiten des Betroffenen) kann ein vom Verantwortlichen (oder einem Dritten) verfolgtes "berechtigtes Interesse" zugleich z.B. in
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der Wahrnehmung der "Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit", |
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der "Freiheit von Kunst und Wissenschaft", |
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"der Gedanken-, Gewissens- und Regionsfreiheit", |
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der "unternehmerischen Freiheit" oder |
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des "Eigentumsrechts" |
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usw. |
liegen.
bb) Öffentliche Interessen
Rz. 194
Das Interesse des Verantwortlichen kann sich zudem mit einem "öffentlichen" Interesse "verbinden". Dies ist nicht zu verwechseln mit einem vom Verantwortlichen verfolgten "Drittinteresse", da sich dieses auf das eines bestimmten Dritten richten muss. Ein "Informationsinteresse der Öffentlichkeit" findet sich oft im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, nicht nur – aber häu...