Rz. 241
Zitat
"Je negativer oder unsicherer die Folgen der Verarbeitung sein könnten, umso unwahrscheinlicher ist es alles in allem, dass die Verarbeitung als zulässig angesehen wird. In diesem Zusammenhang wäre sicherlich das Vorhandensein alternativer Methoden zum Erreichen der von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen angestrebten Ziele, die weniger schädliche Folgen für die betroffene Person nach sich ziehen würden, ein wichtiger Gesichtspunkt."
Rz. 242
Die Folgen die eine Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO für den Betroffenen haben kann, sind demnach ebenso in den Abwägungsvorgang einzubeziehen.
Rz. 243
So kann die Verarbeitung von Kfz-Kennzeichen in einem kostenlosen Bewertungsportal für Autofahrer, mit dem Ziel den bewerteten Fahrern das eigene Fahrverhalten bewusst zu machen und ihnen so eine Möglichkeit zur Selbstreflexion zu eröffnen und damit mittelbar zur Sicherheit des Straßenverkehrs beizutragen, in der Folgewirkung für den Betroffenen ein erhebliches Ausmaß annehmen. Zwar betreffen die Bewertungen auf einem solchen Portal grundsätzlich die Sozialsphäre eines Betroffenen, da diese anlässlich der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr erfolgen. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten von Autofahrern nur bedingt auf den Kontakt nach außen gerichtet ist und es keinen beruflichen oder gewerblichen Anlass für eine Bewertung ihres Verhaltens gibt. Damit kann die Gefahr einer Prangerwirkung für die Betroffenen nicht ausgeschlossen werden.
Rz. 244
Ähnliches gilt für eine App, die Schuldnerdaten aus den Insolvenzverzeichnissen veröffentlicht und durch die Verknüpfung der Daten mit einzelnen Suchbegriffen und deren Einbettung in eine Kartenansicht erlaubt, Insolvenzschuldner eines gesamten Postleitzahlengebietes oder auch von ganzen Orten, Ortsteilen oder Straßen ausfindig zu machen.
Rz. 245
Viele Kolleginnen und Kollegen des anwaltlichen Berufsstandes sind in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, im Internet sog. Gegnerlisten zu führen. Vornehmlich dienen sie Marketingzwecken und sollen interessierten (potentiellen) Mandantinnen und Mandanten "Auskunft" über das bisherige Wirken des Rechtsanwaltes vermitteln, auch wenn der Informationswert derartiger Gegnerlisten als eher gering eingestuft werden muss. Der Umstand, dass einmal das ein oder andere Unternehmen als "Gegner" behandelt wurde, sagt nicht viel darüber aus, ob die rechtliche Vertretung auch erfolgreich war und welchen Gegenstand das konkrete Mandat hatte. Derartige Informationen können mit Blick auf § 203 StGB freilich ohne Zustimmung des betroffenen Mandanten auch nicht einfach veröffentlicht werden. Genau dies relativiert den Informationsgehalt einer derartigen Liste. Ein besonders anschauliches Beispiel einer solchen Gegnerliste und eine lesenswerte Abhandlung zu den Folgen ihrer Veröffentlichung für den Betroffenen findet sich in einem Urteil des LG Essen. Eine bayerische Kanzlei hatte angekündigt, auf ihrer Homepage eine Gegenerliste veröffentlichen zu wollen. Darauf sollten Personen stehen, die aus dem Internet illegal Daten heruntergeladen und sich gegen entsprechende Abmahnungen gewehrt haben sollen. Das Prekäre an dieser Ankündigung: Die bayerischen Kollegen waren dafür bekannt auch Anbieter aus der Porno-Branche zu vertreten. Das LG führt aus, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, nicht mit derartigen Handlungen in der Öffentlichkeit in Verbindung gebracht zu werden, schwerer wiegt, als die berechtigten Werbeinteressen der Kollegen.