Rz. 135
Fraglich ist insoweit, ob mit der einschränkenden Formulierung in Art. 6 Abs. 1 lit b) DSGVO eine Einschränkung des grundsätzlichen Anwendungsbereiches der Datenverarbeitung "im Zusammenhang" mit rechtsgeschäftlichen und/oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnissen verbunden ist. Die Erwägungsgründe der Verordnung geben hierüber ebenso wenig Aufschluss, wie selbige in der Datenschutzrichtlinie. Auch in der Rechtsprechung des EuGH oder den bisherigen Stellungnahmen der Art. 29-Datenschutzgruppe hat die Befugnis zur Datenverarbeitung nach Art. 7 lit. b) der Datenschutzrichtlinie bislang keine nähere Konkretisierung erfahren.
Rz. 136
Unstreitig vom Wortlaut der Regelung in Art. 6 Abs. 1 lit b) DSGVO umfasst sind – auch zukünftig – sämtliche rechtswirksame rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse mit dem Betroffenem i.S.v. § 311 Abs. 1 BGB und zwar unabhängig davon, ob der Verantwortliche seinerseits Vertragspartner eines solchen Vertragsverhältnisses ist. Grundsätzlich fallen auch Verarbeitungen personenbezogener Daten durch außerhalb des Vertragsverhältnisses stehende Dritte unter die Erlaubnisnorm des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO, solange und soweit diese Verarbeitungen "für die Erfüllung" (siehe Rdn 145) eines Vertrages mit dem Betroffenen "erforderlich" (siehe Rdn 146) sind (z.B. im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung eines Inkassounternehmens oder auch des WEG-Verwalters (gegenüber Mietern).
Rz. 137
Ebenso unstreitig kann auch die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung weiterhin der Erlaubnisnorm unterfallen, soweit sie "auf Veranlassung" (= Anfrage) des Betroffenen erfolgte, etwa für die Erstellung von Vertragsangeboten und Kostenvoranschlägen auf Nachfrage oder Veranlassung des Betroffenen.
Rz. 138
Nicht beantwortet ist damit jedoch die Frage, ob weiterhin auch solche rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisse unter den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO fallen, die sich nicht allein im Stadium der Vertragsanbahnung erschöpfen. Insoweit könnte – zugegeben eher in einer Argumentation des faktischen, als des rechtlichen – zunächst argumentiert werden, dass weder die nationalstaatliche Umsetzung in § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, noch ihre Auslegung durch die Literatur unter Geltung des wortgleichen Art. 7b) der Datenschutzrichtlinie, deren Wertungen ja weitgehend fortgelten sollen, Anlass zu Beanstandungen auf nationaler oder europäischer Ebene gegeben hätten. Dies wiederum legt die Vermutung nahe, dass sich die immerhin seit 1999 im BDSG befindliche Bestimmung und ihre Umsetzung im Rahmen des europarechtlich Zulässigen gehalten hat. Weiterhin hat der europäische Gesetzgeber es nicht für erforderlich gehalten, den Begriff des Vertrages oder den der Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen näher europarechtlich zu konkretisieren, so dass durchaus angenommen werden könnte, dass die nähere Ausgestaltung der Begrifflichkeit – ähnlich derer des "Trägers der elterlichen Verantwortung" – weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen sein soll. Dies dürfte jedoch mit dem Verordnungskonzept (hierzu ausführlich oben § 1 Rdn 43 ff.) und dem vom europäischen Gesetzgeber verfolgten Ziel einer Vollharmonisierung des Datenschutzrechtes nicht recht zu vereinbaren sein.
Rz. 139
Zutreffend dürfte es daher sein, sich dem Problem mit Buchner/Petri aus der Systematik der Norm heraus zu nähern. Hier ist zunächst festzuhalten, dass in beiden, im Normtext genannten Varianten eine "aktive" Beteiligung des Betroffenen gefordert wird, sei es als "Vertragspartei" eines bereits bestehenden Vertrages oder als demjenigen, auf dessen "Anfrage" eine vorvertragliche Maßnahme unternommen wird. Der dem Betroffenen zukommenden "aktiven" und willentlichen Beteiligung steht es jedenfalls entgegen, Verarbeitungsvorgänge im Zusammenhang mit der Geschäftsführung ohne Auftrag dem Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSGVO unterfallen zu lassen.
Rz. 140
Ebenso kann die Frage aufgeworfen werden, ob generell alle nichtigen oder anfechtbaren Verträge weiterhin als zumindest rechtsgeschäftsähnlich die Verarbeitung personenbezogener Daten auf Grundlage der Norm rechtfertigen können. Dies ist – mit Buchner/Petri – jedenfalls bei solchen Verträgen zu vereinen, bei denen ein "freier" willentlicher Entschluss des Betroffenen nicht gegeben ist (z.B. in den Fällen der arglistigen Täuschung oder solchen, in denen der Vertragsschluss auf einem rechtserheblichen Erklärungsirrtum des Betroffenen beruht, ebenso dort, wo nicht voll geschäftsfähige Minderjährige außerhalb der ihnen zuerkannten Befugnisse Vertragsverhältnisse anbahnen und/oder eingehen).
Rz. 141
Eher unproblematisch unter den Vertragsbegriff fallen (nicht aufgrund arglistiger Täuschung oder beachtlichen Erklärungsirrtum) durch den Betroffenen begründete Mitgliedschaftsverhältnisse, weil es dort gerade nicht an einer willentlichen, aktiven Handlung des Betroffenen fehlt und derartige Rechtsverhältnisse den rechtsgeschäft...