Philipp Schlemmer, Dr. Gabriele Bruchmann
Rz. 131
Im Fall eines zwischen den Parteien vereinbarten Sicherheitseinbehalts zugunsten des Bestellers (z.B. zur Absicherung seiner Mängelansprüche) kann der Besteller den Einbehalt – abhängig von der jeweiligen Vereinbarung der Parteien – in Teilbeträgen oder in einem Betrag vornehmen. Bei der Vereinbarung von Teilbeträgen sieht § 17 Abs. 6 VOB/B vor, dass der Besteller berechtigt ist, von jeder Zahlung 10 % der Bruttosumme der Rechnung einzubehalten. Der Besteller hat dabei grundsätzlich die Wahl, von welchen Zahlungen er solche Einbehalte macht.
a) Rechtsnatur des Einbehalts
Rz. 132
Da der jeweils vom Besteller einbehaltene Betrag nur eine Sicherheitsleistung darstellt, darf der Besteller den Betrag nicht zu seinem Vermögen rechnen, sondern muss ihn als sog. Fremdgeld innerhalb von 18 Tagen nach Mitteilung über den vorgenommenen Einbehalt auf ein Sperrkonto bei dem mit dem Unternehmer vereinbarten Geldinstitut einzahlen (§ 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B). Aufgrund der Verweisung in § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 5 VOB/B auf § 17 Abs. 5 VOB/B muss es sich um ein sog. "Und-Konto" handeln, über das nur beide Parteien gemeinsam verfügen können und dessen Zinsen dem Unternehmer zustehen. Öffentliche Auftraggeber sind dagegen nicht verpflichtet, den Einbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen (§ 17 Abs. 4 VOB/B).
Rz. 133
Zahlt der Besteller den einbehaltenen Betrag nicht fristgemäß auf ein Sperrkonto ein, kann der Unternehmer ihm hierfür eine angemessene Nachfrist setzen (ca. 8–10 Werktage), § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B. Diese Nachfristsetzung muss weder Konsequenzen der Nichteinzahlung androhen noch ein bestimmtes Geldinstitut für das Sperrkonto angeben. Lässt der Besteller auch diese Nachfrist ungenutzt verstreichen, ist der Unternehmer berechtigt, die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrages zu verlangen.
Rz. 134
Ob dem vertragsuntreuen Besteller gegen den Auszahlungsanspruch die Aufrechnung mit eigenen streitigen Gegenforderungen oder ein Zurückbehaltungsrecht zustehen, ist strittig.
b) Vorgehen bei Nichtauszahlung des Einbehalts nach Stellung einer Austauschsicherheit
Rz. 135
Hat der Unternehmer zur Ablösung des Einbehalts eine Austauschsicherheit (z.B. Bürgschaft) übergeben, ist der Einbehalt fällig und der Besteller hat diesen grundsätzlich auszuzahlen. Gegen diesen Auszahlungsanspruch wendet der Besteller häufig Gegenrechte, z.B. Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrechte ein. Diese Gegenrechte hindern den Auszahlungsanspruch nur dann, wenn der Besteller bereits ein Recht zur Verwertung des Einbehalts hatte, d.h. wenn der Sicherungsfall bereits eingetreten ist (siehe zum Eintritt des Sicherungsfalls Rdn 177). Hierbei sind die drei folgenden, vom BGH aufgestellten Konstellationen zu unterscheiden:
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Verwertung des Einbehalts ist bei Stellung der Austauschbürgschaft bereits erfolgt: Für einen Austausch des Einbehalts gegen eine Bürgschaft ist kein Raum mehr. |
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Sicherungsfall ist bei Stellung der Austauschbürgschaft noch nicht eingetreten: Der Besteller ist verpflichtet, die Austauschbürgschaft entgegenzunehmen und den Sicherheitseinbehalt auszuzahlen. Kommt der Besteller dieser Verpflichtung nicht unverzüglich nach, verletzt er zwar die Sicherungsabrede, verliert aber seinen Anspruch auf Sicherheit zunächst nicht. Hierzu bedarf es vielmehr eines Vorgehens nach § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B, d.h. der Besteller, der die ursprüngliche Sicherheit (Einbehalt) trotz Übergabe einer Austauschsicherheit (Bürgschaft) nicht auszahlt, bleibt verpflichtet, den Einbehalt gem. § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Der Unternehmer kann neben der Verfolgung des Auszahlungsanspruchs zumindest hilfsweise die Einzahlung auf ein Sperrkonto unter Setzung einer angemessenen Nachfrist fordern. Zahlt der Besteller innerhalb der Nachfrist den Einbehalt weder an den Unternehmer aus noch auf ein Sperrkonto ein, verliert er das Recht auf Sicherheit insgesamt, d.h. er ist zur Auszahlung des Einbehalts und zur Rückgabe der Austauschsicherheit verpflichtet. |
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Sicherungsfall ist bei Stellung der Austauschbürgschaft bereits eingetreten: Es steht im Belieben des Bestellers, ob er die Bürgschaft als Austauschsicherheit annimmt oder die ursprüngliche Sicherheit (Einbehalt) verwertet. Wählt er die Verwertung des Einbehalts, ist für einen Austausch kein Raum mehr. Er darf die Bürgschaft nicht entgegennehmen. Entscheidet sich der Besteller für die Bürgschaft, muss er den Sicherheitseinbehalt auszahlen. |
Rz. 136
Mit dieser Rechtsprechung will der BGH erreichen, dass der Besteller durch den Austausch der Sicherheiten nicht besser stehen darf. Vielmehr soll ihm auch durch den Austausch nur eine der beiden Sicherheiten zur Verfügung stehen.