Philipp Schlemmer, Dr. Gabriele Bruchmann
I. Bedeutung von Sicherheiten am Bau
Rz. 1
Das Thema "Sicherheiten am Bau" ist sowohl für den Bauunternehmer/Auftragnehmer (nachfolgend "Unternehmer") als auch für den Bauherrn/Auftraggeber (nachfolgend "Besteller") von großer Bedeutung, da beide Parteien ihre jeweils unterschiedlichen Sicherungsbedürfnisse bei Bau- und Architektenverträgen explizit abdecken müssen, um insbesondere im Hinblick auf eine Insolvenz am Bau möglichst umfassend geschützt zu sein. Gerade die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie eng auch das Bauwesen mit der globalpolitischen Lage verknüpft ist und wie schnell einzelne Ereignisse und Krisen zu gravierenden Auswirkungen in der Baubranche führen können. Sowohl Unternehmer als auch Besteller können unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten oder sogar insolvent werden. In solchen Fällen können Sicherheiten Schäden der Vertragspartner (teilweise) ausgleichen.
Rz. 2
Der Unternehmer eines Bauwerks ist besonders sicherungsbedürftig, da er aufgrund seiner werkvertragsrechtlichen Vorleistungspflicht (§§ 631, 641 BGB) grundsätzlich die volle Leistung erbringen muss, bevor er eine Vergütung erhält. Damit trägt er das Insolvenzrisiko für Bauleistungen und die von ihm gelieferten und eingebauten Baustoffe.
Rz. 3
Auch der Besteller ist trotz Vorleistungsverpflichtung des Unternehmers an einer Sicherheit für die vollständige, rechtzeitige und im Zeitpunkt der Abnahme mangelfreie Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung interessiert. Gerade der Anspruch auf Mängelbeseitigung ist im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz des Unternehmers durch geeignete Instrumente abzusichern.
Rz. 4
Um die Interessen einer Bauvertragspartei bestmöglich vertreten zu können, muss der Rechtsanwalt daher schon beim ersten Mandantengespräch prüfen, ob gesetzliche und/oder vertragliche Absicherungsmöglichkeiten bestehen, um seinen Mandanten vor Schaden durch eine Insolvenz am Bau bewahren zu können.
II. Gesetzliche und vertragliche Instrumente der Forderungssicherung
Rz. 5
Der Gesetzgeber hat sowohl für den Unternehmer als auch für den Besteller verschiedene Möglichkeiten vorgesehen, um die Absicherung der jeweiligen Interessenlage vereinbaren bzw. geltend machen zu können und auch die VOB/B sieht verschiedene Instrumente der Forderungssicherung vor:
1. BGB-Bauvertrag
Rz. 6
Die beiden bislang im BGB verankerten gesetzlichen Sicherungsinstrumente des § 648 BGB a.F. (Sicherungshypothek des Unternehmers) sowie des § 648a BGB a.F. (Bauhandwerkersicherung) sind im Rahmen der Reform des Bauvertragsrechts zum 1.1.2018 an jeweils neue Stellen gerückt. Inhaltlich kam es – bis auf einige redaktionelle Anpassungen sowie eine Abänderung des sog. Verbraucherprivilegs (§ 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB) – zu keinen grundlegenden Änderungen. Die Sicherungshypothek des Unternehmers (§ 648 BGB a.F.) ging in § 650e BGB auf, die Bauhandwerkersicherung (§ 648a BGB a.F.) in § 650f BGB. Rechtsprechung und Literatur zu den §§ 648 und 648a BGB a.F. können für die Auslegung der §§ 650e und 650f BGB weiterhin herangezogen werden.
§ 650e BGB stellt mit der Einräumung einer Sicherungshypothek das traditionelle gesetzliche Sicherungsmittel dar, um bereits erbrachte Vorleistungen des Unternehmers abzusichern.
Daneben sieht § 650f BGB vor, Sicherheit für noch nicht erbrachte Leistungen sowie Nebenforderungen zu erlangen. Als vertragliche Instrumente der Forderungssicherung nennt § 232 BGB für alle Bauvertragsparteien primär die Möglichkeiten der Hinterlegung von Geld und Wertpapieren, der Verpfändung von Forderungen und beweglichen Sachen sowie der Hypothekenbestellung, subsidiär die Leistung einer Sicherheit durch einen Bürgen. In der Baupraxis ist insbesondere die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft (§ 232 Abs. 2 BGB) relevant. In Ausnahmefällen, wenn etwa besonders kurzfristig eine Sicherheit gestellt werden muss, empfiehlt sich auch, an die Möglichkeit der Hinterlegung zu denken.
Neben diesen beiden gesetzlichen Sicherheiten ist mit dem BauVG noch eine neue Sonderregelung im einstweiligen Rechtsschutz – eingefügt infolge Art. 1 Nr. 25 BauVG – hinzugekommen: Die erleichterte Erlangung einer einstweiligen Verfügung bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht (§ 650b Abs. 3 S. 1, Hs. 1 BGB) und über die Vergütungsanpassung durch Nachträge (§ 650c Abs. 5 S. 1, Hs. 1 BGB), auch bezeichnet als einstweilige Verfügung bei der "Sicherung" von Anordnungsansprüchen und Nachtragsforderungen (§ 650d BGB).
§ 650d BGB |
§ 650e BGB |
§ 650f BGB |
Erleichterter einstweiliger Rechtsschutz bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht (§ 650b BGB) oder über Vergütungsanpassungen durch Nachträge (§ 650c – nicht aber für Werklohnansprüche oder Abschlagsforderungen allgemein) nach Beginn der Bauausführung, aber vor Fertigstellung |
Sicherheit für bereits erbrachte Vorleistungen |
Sicherheit für noch nicht erbrachte Leistungen sowie Nebenforderungen |
"Sicherheit" durch einstweilige Verfügung |
Sicherheit durch Einräumung einer Sicherungshypothek |
i.d.R. Sicherheit durch Bürgschaft (§ 232 Abs. 2 BGB) |
2. VOB/B-Bauvertrag
Rz. 7
Im VOB/B-Vertrag g...