Philipp Schlemmer, Dr. Gabriele Bruchmann
Rz. 177
Mit Eintritt des Sicherungsfalls kann die Bürgschaft in Anspruch genommen werden.
Der Sicherungsfall tritt grundsätzlich dann ein, wenn die Verwertung der Sicherheitsleistung nach der Sicherungsabrede zulässig, die Bürgschaft – insbesondere die durch die Bürgschaft gesicherte Forderung – also fällig ist. Der Sicherungsfall sollte daher zwischen den Parteien in der Sicherungsabrede ausdrücklich vereinbart werden. Fehlt hierüber eine Vereinbarung, muss der Vertrag nach den Interessen beider Parteien ausgelegt werden.
Rz. 178
Der aus der Bürgschaft Begünstigte muss den Eintritt des Sicherungsfalls und die Fälligkeit der Hauptschuld ebenso wie die Berechtigung des aus der Bürgschaft geforderten Betrags darlegen und beweisen. Hierzu hat er alle Unterlagen vorzulegen, um den Anspruch zu begründen. Der Bürge darf entsprechend § 371 BGB die Zahlung aus der Bürgschaft von der gleichzeitigen Rückgabe der Bürgschaft abhängig machen, sodass der Antrag auf Zahlung aus der Bürgschaft Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaft zu stellen ist.
Rz. 179
Der Bürge kann neben eigenen Einwendungen gegen die Haftung aus der Bürgschaft gem. § 768 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Hierzu gehören u.a.:
Rz. 180
Unwirksamkeit der Sicherungsabrede wegen eines Verstoßes gegen das AGB-Recht
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Verstöße gegen das AGB-Recht können beispielsweise in folgenden Regelungen vorliegen:
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Regelungen zur Bürgschaftshöhe: Lediglich eine Festlegung des Bürgschaftsbetrages auf 10 % der Auftragssumme ist von der Rechtsprechung des BGH als AGB-rechtliche Beschränkung gestattet worden, soweit es sich um Vertragserfüllungsbürgschaften zugunsten des Bestellers handelt. Vertragserfüllungsbürgschaften zugunsten des Unternehmers können dagegen AGB-rechtlich bis zu einem Höchstbetrag des vollen Vergütungsanspruches abgesichert werden, was sich im Umkehrschluss bereits aus § 650f BGB ergibt. Eine zulässige Höchstgrenze bei einer Gewährleistungsbürgschaft liegt dagegen bei (nur) 5 % der Abrechnungssumme. Dieser niedrigere Prozentsatz gilt vor allem deshalb, weil der Besteller mit der Abnahme bereits die erbrachte Bauleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht entgegengenommen hat, sodass sein Sicherungsbedürfnis bereits aus diesem Grund als niedriger zu veranschlagen ist als bei den Vertragserfüllungssicherheiten. Da die Vergütung des Unternehmers in der Regel einschließlich oder zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart wird, ist für die Sicherheitsleistung auf den Bruttobetrag der Auftrags-/Abrechnungssumme abzustellen. Es sei darauf hingewiesen, dass auch handschriftliche Zusätze, die in vorformulierte Verträge eingetragen werden, auch dann Allgemeine Geschäftsbedingung sind, wenn sie auf den Vertragsinhalt und die gegenseitigen Vertragspflichten nur unwesentlichen Einfluss haben. |
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Verbot der Kumulierung von Sicherheiten: In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine Vertragserfüllungssicherheit zugunsten des Bestellers i.H.v. 10 % neben einer weiteren Sicherheitsleistung i.H.v. 10 % durch Einbehalt von fälligen Abschlagszahlungen nicht zulässig, da dies über das schutzwürdige Interesse des Bestellers hinausgeht. Zudem würde die Höhe der Sicherheitsleistung mit fortschreitender Vertragserfüllung des Unternehmers zunehmen, was die Übersicherung noch weiter verstärken würde. Bei kombinierten Vertragserfüllungs-/Gewährleistungssicherheiten, mit denen auch Ansprüche aus Überzahlung abgesichert werden, soll ein Mischsatz von 6 % noch angemessen sein, wobei diese Grenze eher bei den 5 % der Gewährleistungs- als den 10 % der Vertragserfüllungssicherheiten anzusiedeln ist. Die Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede kann sich auch daraus ergeben, dass einzelne Prozentsätze für die Sicherheiten, die für sich genommen unbedenklich sind, aufgrund ihrer Gestaltung addiert und deshalb unzulässig werden. Sind für die Vertragserfüllungs- und die Gewährleistungsbürgschaft z.B. je 5 % vereinbart, bestehen keine Bedenken. Soll die Umwandlung der Vertragserfüllungs- in eine Gewährleistungsbürgschaft aber erst "nach Abnahme und Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche" verlangt werden können, können etwa vorbehaltene Mängel aus dem Ausführungsstadium mit der Abnahme der Mängelrechte fortbestehen. Nach der Sicherungsabrede wären diese Mängelrechte dann sowohl über die Vertragserfüllungs- als auch die Gewährleistungssicherheit abgedeckt, wodurch das Absicherungsvolumen für die Mängelansprüche auf insgesamt bis zu 10 % zu erhöhen wäre, was gegen AGB-Recht verstoßen würde. Eine Vereinbarung, nach der sowohl eine Vertragserfüllungssicherheit, die auch Mängelansprüche abdeckt, als auch eine zusätzliche Sicherheit für Mängelansprüche (jeweils 5 % der Vertragssumme) zu stellen sind, ist unwirksam; selbst dann, wenn die Vertragserfüllungssicherheit nach vollständiger Erfüllung und Erledigung aller bis zu diesem Zeitpunkt erhobenen Ansprüche in eine Mängelansprüchesicherheit umgewandelt werden kann. | |