Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 166
Die Mobilitäts-RL setzt bei der registergerichtlichen Prüfung des grenzüberschreitenden Formwechsels auf die bewährte zweistufige Rechtmäßigkeitskontrolle. Im Mittelpunkt steht hierbei die Vorabbescheinigung, welche die Kontrollstelle der formwechselnden Gesellschaft über den ordnungsgemäßen Vollzug der dem Formwechsel vorangehenden Rechtshandlungen und Formalitäten ausstellt, Art. 86m Gesellschaftsrechts-RL. Nach der Mobilitäts-RL muss die Kontrollstelle im Zuzugsstaat die Vorabbescheinigung als "schlüssigen Nachweis" der ordnungsgemäßen Erledigung der Verfahren und Formalitäten in dem bzw. den Wegzugsstaat(en) anerkennen, Art. 86o Abs. 5 Gesellschaftsrechts-RL. Nach Art. 86o Abs. 5 Gesellschaftsrechts-RL darf die Kontrollstelle des Zuzugsstaates den Formwechsel erst nach Vorliegen der Vorabbescheinigung genehmigen. Die Ausstellung der Vorabbescheinigung ist somit eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den grenzüberschreitenden Formwechsel. Während das vollständige Fehlen der Vorabbescheinigung zur Nichtigkeit des Formwechsels führt, dürften aus Gründen der Rechtssicherheit einzelne Fehler mit der Eintragung geheilt werden. Mit diesem Regelungskonzept dürften grob falsche Eintragungen von grenzüberschreitenden Formwechseln – wie etwa im Falle des OLG Frankfurt (dazu Rdn 79) – zukünftig wirksam verhindert werden.
Rz. 167
Die Vorabbescheinigung stellt gleichzeitig das zentrale Instrument der neu eingeführten Missbrauchskontrolle dar. Nach Art. 86m Abs. 8 Gesellschaftsrechts-RL darf die Kontrollstelle des Wegzugsstaates (d.h. in Deutschland das Registergericht) die Vorabbescheinigung nicht ausstellen, wenn im Einklang mit dem nationalen Recht festgestellt wird, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel "zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll". Einzelheiten der Prüfung gibt Art. 86m Abs. 9–12 Gesellschaftsrechts-RL vor. Die Kontrollstelle im Wegzugsstaat muss "relevante Tatsachen und Umstände" berücksichtigen, "wie etwa – sofern relevant und nicht isoliert betrachtet – Anhaltspunkte, welche die zuständige Behörde im Verlaufe der Prüfung der Rechtmäßigkeit bemerkt hat. Die Informationen hierfür erhält die zuständige Stelle durch die Gesellschaft, die bei Beantragung der Vorabbescheinigung entsprechende Unterlagen vorzulegen hat. Gleichwohl gibt die Mobilitäts-RL nur sehr unbestimmt vor, welche Kriterien als Indiz für einen Missbrauchsfall gelten sollen. Hier wird die Praxis gefordert sein, der Missbrauchskontrolle Kontur zu verleihen."
Rz. 168
Außerdem muss gem. Art. 86m Abs. 4 Gesellschaftsrechts-RL der Antrag auf Erteilung der Vorabbescheinigung einschließlich der erforderlichen Informationen und Unterlagen künftig vollständig online eingereicht werden können. Hierfür ist ergänzend auf die durch das DiRUG bereits umgesetzte Digitalisierungs-RL zurückzugreifen, sodass die öffentliche Beglaubigung der Anmeldungen durch den Notar mittels Videokommunikation (Online-Beglaubigung) möglich ist. Die Vorabbescheinigung wird künftig von den Kontrollstellen im Wegzugsstaat in standardisierter Form unmittelbar über das System der Registerverknüpfung an die Kontrollstelle im Zuzugsstaat übermittelt und über dieses System öffentlich zugänglich gemacht.
Rz. 169
Der Zeitpunkt, an dem der grenzüberschreitende Formwechsel wirksam wird, bestimmt sich gem. Art. 86q S. 1 Gesellschaftsrechts-RL nach dem Recht des Zuzugsmitgliedstaates. Bei einem Hineinformwechsel auf eine deutsche GmbH wird dann die Eintragung im deutschen Handelsregister maßgeblich sein.