Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 125
An verschiedenen Stellen des grenzüberschreitenden Sitzverlegungsverfahrens können Schutzvorschriften zugunsten bestimmter Gruppen, wie Gläubigern, Arbeitnehmern oder Minderheitsgesellschaftern zu beachten sein. Diese richten sich bei einem Hineinformwechsel nach dem ausländischen Recht der Ausgangsrechtsform, bei einem Herausformwechsel nach dem deutschen Recht.
a) Minderheitenschutz
Rz. 126
Einigkeit besteht in der Literatur, dass die Fragen des Minderheiten- und Gläubigerschutzes ebenfalls in Anlehnung an die bestehenden Vorschriften getroffen behandelt werden sollten. Nach § 207 Abs. 1 S. 1 UmwG hat der formwechselnde Rechtsträger jedem Anteilsinhaber, der gegen den Umwandlungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner umgewandelten Anteile der Mitgliedschaften gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten. Eine ähnliche Regelung sieht auch Art. 8 Abs. 5 SE-VO in Verbindung mit § 12 SE-AG vor. Angesichts der unter Umständen deutlich veränderten Rechtssituation nach ausländischem Recht, wird man auch beim grenzüberschreitenden Formwechsel ein derartiges Abfindungsgebot verlangen müssen. Ein Verzicht auf Barabfindung ist allerdings wie bei § 29 UmwG durch notariell beurkundete Verzichtserklärung aller Anteilsinhaber möglich.
b) Gläubigerschutz
Rz. 127
Für den Gläubigerschutz wird wohl § 204 UmwG anwendbar sein. Gem. § 204 UmwG i.V.m. § 22 UmwG ist den Gläubigern des formwechselnden Rechtsträgers auf Verlangen Sicherheit zu leisten, wenn sie glaubhaft machen, dass durch den Formwechsel die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird. Art. 8 Abs. 7 SE-VO i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 3 SEAG und § 122j UmwG sehen Ähnliches vor. In der Entscheidung Moor-Park II wurde ein entsprechender Vermerk im Handelsregister eingetragen.
c) Arbeitnehmerschutz
Rz. 128
Schwierig einzuordnen sind Fragen des Arbeitnehmerschutzes und der -mitbestimmung. In den bisherigen obergerichtlichen Entscheidungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel (vgl. Rdn 76 ff.) war dieser Faktor tatsächlich nicht von Bedeutung, da offenbar keine größere Anzahl von Arbeitnehmern und auch kein Betriebsrat vorhanden war. Gem. § 194 Abs. 2 UmwG ist der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses spätestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung der Anteilsinhaber, die den Formwechsel beschließen soll, dem zuständigen Betriebsrat des formwechselnden Rechtsträgers zuzuleiten. Durch die Pflicht soll ebenso wie bei der Verschmelzung der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, die Rechte der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Umwandlung wahrzunehmen. Dies wird man auch beim grenzüberschreitenden Formwechsel verlangen müssen.
Rz. 129
Eine Parallele zu den Regeln bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung dürfte aufgrund der vergleichbaren Problemstellungen bestehen. Der Verschmelzungsplan bei einer internationalen Verschmelzung ist anders als der Verschmelzungsvertrag nach nationalem Umwandlungsrecht (§ 5 Abs. 3 UmwG) nicht dem Betriebsrat zuzuleiten. Stattdessen erfolgt bei grenzüberschreitender Verschmelzung eine Zuleitung des Verschmelzungsberichts nach § 122e S. 2 UmwG n.F. Dieser ist dem zuständigen Betriebsrat oder, falls es keinen Betriebsrat gibt, den Arbeitnehmern der an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften spätestens einen Monat vor der Versammlung der Anteilsinhaber zugänglich zu machen. Auch hier empfiehlt sich ggf. beide Vorschriften einzuhalten. Zum Teil wird die Anwendung der Vorschriften über eine grenzüberschreitende Verschmelzung (MGVG) vorgeschlagen.
Rz. 130
Andere wiederum schlagen die Anwendung des § 18 Abs. 3 S. 1 SEBG vor. Danach würde eine Verhandlungspflicht bestehen, wenn durch den Formwechsel Beteiligungsrechte gemindert werden können. Werden hingegen keine Beteiligungsrechte gemindert, gilt das Mitbestimmungsrecht des Zuzugsstaates nach Wirksamwerden des Formwechsels.
d) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit im Zuzugsstaat?
Rz. 131
Erst im Jahre 2017 wurde in der Rs. Polbud vom E...