Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 171
Zum Schutz der Minderheitsgesellschafter sieht die Richtlinie ein Austrittsrecht gegen Barabfindung und einen Anfechtungsausschluss für Bewertungsrügen und bewertungsrelevante Informationsrügen vor. Es wird also auf einen nachgelagerten Schutz der Minderheitsgesellschafter gesetzt. Bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel ist jedoch – anders als beim nationalen Recht des Formwechsels in Deutschland und auch anders als bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen – kein Anspruch der Minderheitsgesellschafter auf Verbesserung des Beteiligungsverhältnisses vorgesehen. Die in der Richtlinie vorgesehenen Schutzrechte stellen in dieser Hinsicht allerdings nur einen Mindeststandard dar.
Rz. 172
Berechtigte des Austrittsrechts sind bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel grds. nur die Gesellschafter der formwechselnden Gesellschaft, die gegen die Zustimmung zum Formwechselplan gestimmt haben, Art. 86i Abs. 1 Gesellschaftsrechts-RL. Bei stimmrechtslosen Anteilen ist ein Widerspruch zu erklären. Dies erscheint vor allem deshalb sachgerecht, weil die fehlende Zustimmung oder auch die bloße Inhaberschaft stimmrechtsloser Anteile noch keine Ablehnung des grenzüberschreitenden Formwechsels zum Ausdruck bringt und die Gesellschaft durch den Widerspruch verlässlich Auskunft darüber erhält, mit wie vielen Austritten und welchem Liquiditätsabfluss zu rechnen ist. Bis zum Wirksamwerden des Formwechsels ist die formwechselnde (deutsche) Gesellschaft Schuldnerin des Abfindungsanspruchs, während nach diesem Zeitpunkt die Gesellschaft neuer Rechtsform als Erwerberin auftritt.
Rz. 173
Das Abfindungsangebot muss zwingend ein Barabfindungsangebot sein und ebenfalls zwingend in den Formwechselplan aufgenommen werden. Die Mobilitäts-RL sieht vor, dass die Gesellschaft eine elektronische Adresse für den Eingang der Erklärung der Entscheidung der austrittsberechtigten Gesellschafter über die Ausübung des Rechts auf Veräußerung ihrer Anteile in elektronischer Form zur Verfügung stellen muss, Art. 86i Abs. 2 Gesellschaftsrechts-RL. Bei dieser "Erklärung" muss es sich nach der Richtlinie aber gerade nicht um die rechtsverbindliche Annahme des Abfindungsangebots handeln, die bei einer GmbH als formwechselnder Gesellschaft oder Gesellschaft neuer Rechtsform nach deutschem Recht ebenso wie die Abtretung der Geschäftsanteile der notariellen Beurkundung bedarf, vgl. § 15 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 GmbHG. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Austrittserklärung ist die form- und fristgerechte Austrittserklärung jedenfalls Voraussetzung für das Austrittsrecht gegen angemessene Barabfindung. Im Übrigen kommt der Erklärung jedoch keine Bindungswirkung zu. Das bedeutet, dass sich der austrittsberechtigte Gesellschafter trotz des erklärten Austritts entscheiden kann, an der Gesellschaft neuer Rechtsform nach den für diese geltenden Vorschriften beteiligt zu bleiben. Die Frist für die Austrittserklärung darf nach Art. 86i Abs. 2 S. 2 Gesellschaftsrechts-RL einen Monat nach der Gesellschafterversammlung der formwechselnden Gesellschaft nicht überschreiten. Da die Form der Erklärung nicht näher vorgegeben wird, wird in Deutschland eine notarielle Beurkundung (arg. § 15 Abs. 4 GmbHG) erforderlich sein.
Rz. 174
Art. 86f Abs. 2 Gesellschaftsrechts-RL schreibt eine Prüfung der Angemessenheit des Barabfindungsangebotes durch einen unabhängigen Sachverständigen vor. Dies entspricht der geltenden Rechtslage in Deutschland beim innerstaatlichen Formwechsel. Bei dieser Prüfung müssen der etwaige Marktpreis der Anteile der formwechselnden Gesellschaft vor Ankündigung des geplanten grenzüberschreitenden Formwechsels oder der auf der Basis allgemein anerkannter Bewertungsmethoden ermittelte Wert der Gesellschaft ohne die Auswirkungen der geplanten Umwandlung berücksichtigt werden.
Rz. 175
Erachtet ein Gesellschafter die angebotene Barabfindung für nicht angemessen und hat er zuvor seine Entscheidung über die Ausübung seines Austrittsrechts erklärt, kann er nach Art. 86i Abs. 4 UAbs. 1 Gesellschaftsrechts-RL bei der nach nationalem Recht zuständigen Behörde oder Stelle eine zusätzliche Barabfindung beantragen. Der richtige Antragsgegner hängt u.a. davon ab, innerhalb welcher Frist der Antrag auf Einleitung des "Spruchverfahrens" gestellt werden muss. Im Gegensatz zum deutschen Spruchverfahren ordnete der Kommissionsentwurf weder die Allgemeinwirkung der Gerichtsentscheidung (vgl. § 13 S. 2 SpruchG) noch ein Verschlechterungsverbot (vgl. §§ 11, 12 SpruchG) an. Nach dem Vorschlag des Rates sollten die Mitgliedstaaten zumindest die Möglichkeit haben, eine (eingeschränkte) erga-omnes-Wirkung anzuordnen.
Rz. 176
Zu begrüßen ist, dass Art. 86i Abs. 5 Gesellschaftsrechts-RL ausdrücklich die IPR- und IZPR-Problematik regelt. Demnach kommt das Recht des Wegzugsstaates zur Anwendung, und die Gerichte dieses Staates sind auch international ausschließlich zuständig. Die Regelungen sind...