Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 4
Rechtsregeln zum Sitz der Gesellschaft finden sich einerseits im materiellen nationalen Gesellschaftsrecht, das bestimmte Sachnormen für die Wahl und die Verlegung des Sitzes aufstellt, und andererseits im Kollisionsrecht oder "Internationalen Gesellschaftsrecht", das die Bestimmung des anwendbaren Rechts regelt und dabei an den Register-, Satzungs- oder Verwaltungssitz anknüpft.
I. Nationales Gesellschaftsrecht
Rz. 5
Das materielle Gesellschaftsrecht regelt insbesondere die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages. Nach deutschem Recht muss der Gesellschaftsvertrag einer GmbH den Sitz der Gesellschaft enthalten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG). Gemeint ist damit der Satzungssitz i.S.d. § 4a GmbHG. Dieser im Gesellschaftsvertrag festgelegte Sitz bestimmt auch den allgemeinen Gerichtsstand der Gesellschaft (§ 17 ZPO), die Zuständigkeit des Handelsregisters (§ 7 GmbHG, § 377 Abs. 1 FamFG) und damit auch das Gericht der Hauptniederlassung i.S.d. § 13 Abs. 1 HGB, sowie, wenn die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit eingestellt hat, auch die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts (§ 3 Abs. 1 S. 1 InsO). Mangels anderweitiger Regelung in der GmbH-Satzung soll, in analoger Anwendung des § 121 Abs. 5 AktG, die Gesellschafterversammlung am Satzungssitz stattfinden. Der statutarische Sitz ist zudem Anknüpfungspunkt für die unternehmerische Mitbestimmung. Falls sich die Geschäftsleitung (§ 10 AO) nicht im Inland befindet oder nicht feststellbar ist (§ 20 Abs. 2 AO), ist der Satzungssitz auch der steuerrechtliche Anknüpfungspunkt (§ 11 AO). Zudem ist für Geschäftsbriefe nach § 35a Abs. 1 S. 1 GmbHG die Angabe des statutarischen Sitzes erforderlich aber auch ausreichend. Um die Erreichbarkeit sicherzustellen, ist bei der Anmeldung zusätzlich eine inländische Geschäftsanschrift anzugeben (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG), die dann auch Inhalt der Handelsregistereintragung wird (§ 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Nicht alle Rechtsordnungen regeln den gesellschaftsvertraglichen Sitz in derselben Weise wie das deutsche Recht. Als Beispiel sei die Regelung im englischen Companies Act 2006 genannt. Dort ist der Registersitz (registered office) einer Gesellschaft kein Satzungsbestandteil. Die Gründer müssen lediglich in ihrem Antrag auf Registrierung angeben, ob die Gesellschaft in England, Wales, Schottland oder Nordirland registriert werden soll. Aus der Registrierung ergibt sich dann das registered office der Gesellschaft.
II. Kollisionsrecht (Internationales Gesellschaftsrecht)
Rz. 6
Auf der Ebene des Internationalen Gesellschaftsrechts ist der "Sitz" der Gesellschaft üblicherweise das Kriterium für die Anknüpfung des anwendbaren Gesellschaftsrechts (vgl. § 1 Rdn 1 ff.). Dabei ist zu beachten, dass auch Internationales Gesellschaftsrecht, seiner Rechtsquelle nach, nationales Recht ist. Im Einzelfall ist also für jede einzelne Rechtsordnung konkret zu prüfen, wie sie das Anknüpfungskriterium für Gesellschaftsrecht definiert. Grob unterscheiden lassen sich Staaten, die der Sitztheorie folgen (siehe Rdn 7 f.) und solche, die der Gründungstheorie folgen (siehe Rdn 9 f.). Da diese Theoriebildung eine Angelegenheit des nationalen Rechts ist, gibt es allerdings kein völlig einheitliches Verständnis von Inhalt und Reichweite der Theorien (vgl. auch § 1 Rdn 1 ff.).