Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 49
Für deutsche Unternehmen sind bei der strategischen Entscheidung, grenzüberschreitend mobil zu werden vor allem wirtschaftliche Motive von Bedeutung. Eine 2013 von der Europäischen Kommission durchgeführte Konsultation zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung hat gezeigt, dass etwa ein Viertel der befragten Unternehmen aufgrund eines besseren Geschäftsklimas ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen. Steuerliche Beweggründe gaben 45 % der Befragten an. Ebenso können Unterschiede in der Wirtschaftsregulierung den Ausschlag für die positive Entscheidung über eine Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat geben, wie etwa 15 % der Teilnehmer der Befragung angaben. Das unter dem Begriff "Insolvenztourismus" geläufige Phänomen eines günstigeren Insolvenzrechts im Zuzugsstaat spielt offenbar ebenfalls eine Rolle. 10 % der Konsultationsteilnehmer bestätigten dies. Der grenzüberschreitende Formwechsel ist für ein operativ im Zuzugsstaat tätiges Unternehmen zudem aufgrund der Identität des Rechtsträgers attraktiv. Auch wenn die Gründungsvorschriften des Zuzugsstaates einzuhalten sind, wird eine aufwändige vollständige Neugründung vermieden. Dennoch genießt dann der neue Rechtsträger im Zielstaat das höhere Vertrauen des Wirtschaftsverkehrs in eine für ihn "einheimischen" Rechtsform. Da allerdings Konzerne für diesen Effekt der gesteigerten Akzeptanz im jeweiligen Tätigkeitsstaat häufig ohnehin eine einheimische Tochtergesellschaft gründen und große Kapitalgesellschaften, namentlich Aktiengesellschaften, mittels einer Societas Europaea (SE) im gesamten Binnenmarkt tätig sein können, ist der grenzüberschreitende Formwechsel besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) interessant, die europäische Auslandsmärkte erschließen wollen. Auch die relativ geringen Kosten für den grenzüberschreitenden Formwechsel von zumeist zwischen 10.000 und 50.000 EUR stellen keine allzu große Hürde für KMU dar. Es verwundert daher nicht, dass die Fälle zum grenzüberschreitenden Formwechsel, mit welchen sich die deutsche Rechtsprechung bisher befassen durfte, jeweils die GmbH bzw. deren ausländische Äquivalente betrafen (dazu Rdn 76 ff.).
I. Materielles nationales Gesellschaftsrecht
Rz. 50
Das deutsche Gesellschaftsrecht verlangt, dass der Satzungssitz im Inland liegt (§ 4a GmbHG), und verknüpft damit den Registersitz, indem das Handelsregister am Sitz der Gesellschaft für zuständig erklärt wird (§ 7 Abs. 1 GmbHG). Rechtsordnungen, die allein auf den Registersitz abstellen, verlangen üblicherweise einen inländischen Registersitz.
Rz. 51
Die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland ist nach deutschem ...