Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 19
Um die Zulässigkeit und das gegebenenfalls anwendbare Verfahren bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes prüfen zu können, ist zunächst das materielle Gesellschaftsrecht des Staates zu untersuchen, nach dessen Recht sich die Gesellschaft gegründet hat (Herkunftsstaat). Kommt die Gesellschaft aus Deutschland, so ist die Lage des Verwaltungssitzes materiell-rechtlich ohne jede Bedeutung. Denn das deutsche GmbH-Recht macht diesbezüglich keine Vorgaben. Nach § 4a GmbHG muss lediglich der Satzungssitz im Inland liegen. Daraus ist zu schließen, dass der Verwaltungssitz im Ausland liegen kann. Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte (siehe näher § 1 Rdn 27). Die Änderung der Norm durch das MoMiG zielt darauf ab, die deutschen Kapitalgesellschaften im Wettbewerb der Rechtsordnungen konkurrenzfähig zu machen. Um eine Gesellschaftsform in diesem Wettbewerb anbieten zu können, ist eine derartige Aufspaltung von Satzungs- und Verwaltungssitz zwingende Voraussetzung. Die Verlegung der Verwaltung ins Ausland ist somit ein rein faktischer Vorgang, für den keine besonderen Verfahrensregeln einzuhalten sind. Satzungssitz und Verwaltungssitz können auseinanderfallen. Die Satzung muss anlässlich der Verlegung des Verwaltungssitzes nicht geändert werden.
Rz. 20
Wurde die betreffende Gesellschaft nach einer anderen Rechtsordnung gegründet, so ist nach dem dortigen nationalen Gesellschaftsrecht zu klären, ob der Verwaltungssitz im Inland liegen muss. Sollte dies der Fall sein, begeht die Gesellschaft mit der grenzüberschreitenden Verlegung des Verwaltungssitzes einen Rechtsverstoß. Welche materiell-rechtlichen Folgen dies hat, folgt wiederum aus den Regeln des Gründungsrechts der Gesellschaft. Häufig droht als Sanktion die Auflösung der Gesellschaft. So verhielt es sich früher auch im deutschen GmbH-Recht (vgl. § 1 Rdn 48 f.). Unter der Geltung von § 4a GmbHG a.F. wurde mit der Verlegung des Verwaltungssitzes die Satzung fehlerhaft, was zur Auflösung der Gesellschaft führen konnte (§ 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG). Ein vergleichbarer Sachverhalt lag der EuGH-Entscheidung in Sachen Cartesio zugrunde: Eine ungarische Kommanditgesellschaft wollte ihren Sitz nach Italien verlegen. Nach ungarischer Rechtslage war als Sitz der Gesellschaft derjenige Ort anzusehen, an dem sich die Hauptverwaltung befand. Dieser Sitz konnte nach ungarischem Recht nur dadurch ins Ausland verlegt werden, dass die Gesellschaft zu bestehen aufhörte und sich nach dem Recht des neuen Sitzstaates neu gründete. Der EuGH hat dies zwar im Grundsatz gebilligt, zusätzlich aber die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels angedeutet, der die Auflösung und Neugründung vermeidet (vgl. Rdn 53 ff.).