Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 44
Komplexer gestaltet sich die Rechtslage bei einer Verwaltungssitzverlegung unter Beteiligung sonstiger Drittstaaten. Der AEUV findet hier keine Anwendung. Zu prüfen ist daher, ob bilaterale Abkommen den Vorgang regeln. Andernfalls entscheidet jeder Staat selbst, ob und unter welchen Voraussetzungen er die grenzüberschreitende Sitzverlegung gestattet.
Rz. 45
Eine deutsche GmbH kann ihren Verwaltungssitz nach dem MoMiG auch in einen Drittstaat verlegen (vgl. Rdn 1, 19). Im umgekehrten Fall, bei der Verlegung des Verwaltungssitzes aus einem Drittstaat nach Deutschland, gilt in Deutschland weiterhin grundsätzlich die Sitztheorie, sodass die Gesellschaft einer der in Deutschland bestehenden Gesellschaftsformen zuzuordnen ist (vgl. Rdn 7 f.).
Rz. 46
Ausnahmen können aufgrund bilateraler internationaler Abkommen gelten (dazu § 1 Rdn 7 ff.). So sieht Art. XXV Abs. 5 S. 2 des deutsch-US-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag (FHSV) von 1954 bspw. vor, dass die beiden Staaten die Rechtsfähigkeit der Gesellschaften, die nach dem Recht des jeweils anderen Staates gegründet wurden, anerkennen. Aufgrund der über diese Kollisionsnorm angeknüpften Anwendung der Gründungstheorie im Verhältnis zu US-Gesellschaften können diese wie Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten ihren Verwaltungssitz rechtsformwahrend nach Deutschland hineinverlegen.
Rz. 47
Eine solche US-Gesellschaft muss nach Maßgabe der §§ 13d ff. HGB jedoch eine ausländische Zweigniederlassung in Deutschland anmelden. In bilateralen Abkommen mit anderen Staaten kann jedoch auch eine andere Anknüpfung – bspw. an die Sitztheorie – gewählt werden oder gar keine Regelung über das Gesellschaftsstatut getroffen werden (dazu auch ausführlich im Zusammenhang mit dem EU-UK-TCA § 2 Rdn 66 ff.).
Rz. 48
Brisant ist die Thematik nach wie vor im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU (dazu ausführlich § 2 Rdn 21 ff.). Mit dem Wegfall der Gewährleistungen der Niederlassungsfreiheit wird verbreitet davon ausgegangen, dass in Deutschland nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu Drittstaatsgesellschaften Limiteds, PLCs und LLPs mit Verwaltungssitz in Deutschland zukünftig nicht mehr als Gesellschaften englischen Rechts anerkannt würden. Vielmehr würden diese Gesellschaften in ein nationalrechtliches Gesellschafts-Pendant umqualifiziert werden. Für die besonders betroffenen Limiteds würde dies bedeuten, dass sie als OHG behandelt würden, falls sie ein Handelsgewerbe betreiben, und im Übrigen als GbR qualifiziert würden. Jüngst stellte der BGH fest, dass nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU mit Wirkung zum 1.2.2020 und dem Ablauf des in Art. 126 dieses Austrittsabkommens bestimmten Übergangszeitraums am 31.12.2020 Unionsrecht auf britische Briefkastengesellschaften in Deutschland keine Anwendung mehr findet. Zu dem in der Literatur diskutierten Statutenwechsel für die betroffenen Gesellschaften äußerte sich der BGH nicht explizit, jedoch ist u.E. nicht davon auszugehen, dass der Gerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechungslinie abweichen wird. Auch aus dem EU-UK-TCA v. 24.12.2020, dürfte sich keine abweichende Beurteilung ergeben, da dieses gerade keine Aussage zur Niederlassungsfreiheit trifft (siehe auch § 2 Rdn 66 ff.).