Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 134
Mit der Umsetzung der Mobilitäts-RL wird künftig auf Grundlage der Gesellschaftsrechts-RL ein rechtssicherer, unionsweiter Rahmen für den grenzüberschreitenden Formwechsel in der EU existieren. Dies wird zugleich Auswirkungen auf die Satzungssitzverlegung der GmbH in der Union haben. Es steht zu erwarten, dass künftig wesentlich mehr derartiger Vorgänge in der Rechtspraxis stattfinden werden. Die nachfolgenden Ausführungen sollen den sekundärrechtlichen Rahmen des Verfahrens nach der Mobilitäts-RL abbilden. Die Umsetzung der Richtlinienvorgaben in das deutsche Recht muss bis zum 31.1.2023 abgeschlossen sein. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat eine Expertenkommission bestehend aus Mitgliedern aus Wissenschaft und Praxis eingesetzt, welche die Richtlinienumsetzung durch das sog. Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) vorbereiten soll. Eine Vorwirkung der Richtlinie, die einzelne Vorschriften über den grenzüberschreitenden Formwechsel bereits vor Ablauf dieser Umsetzungsfrist anwendbar erklären würde, kommt nicht in Betracht (vgl. Rdn 83). Die Voraussetzungen für eine solche unmittelbare Richtlinienwirkung liegen jedenfalls nicht vor Ablauf des 31.1.2023 vor. Teilweise wird dennoch empfohlen, bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch den BGH in Zweifelsfällen die in der Gesellschaftsrechts-RL enthaltenen (zusätzlichen) Pflichten bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist zu erfüllen. Selbst wenn man nicht so weit gehen will, sollte In der Übergangszeit bis zur Transformation der Mobilitäts-RL in jedem Fall im Rahmen der Beratung und Gestaltung einer grenzüberschreitenden Umwandlung das Verfahren frühzeitig mit den (Register-)Gerichten des Herkunftsstaates und des Zielstaates abgestimmt werden, um das Vorhaben möglichst reibungslos zum Abschluss zu bringen.
Rz. 135
Die Gesellschaftsrechts-RL regelt in ihrer Neufassung lediglich die grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes, die mit einem Formwechsel einhergeht, nicht die grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungssitzes. Die Verlegung des Satzungssitzes soll nach der Definition des Art. 86b Abs. 2 Gesellschaftsrechts-RL sowohl isoliert als auch gemeinsam mit dem Verwaltungssitz erfolgen können. Das Verfahren nach der Gesellschaftsrechts-RL orientiert sich dabei weniger an den bisher in der Literatur vorgeschlagenen Verfahrensabläufen als vielmehr an den gleichfalls novellierten Regeln für grenzüberschreitende Verschmelzungen.
Rz. 136
Die Mobilitäts-RL bringt zudem vereinfachte Verfahrensregeln für "weniger komplexe" Formwechselvorgänge sowie zusätzliche Schutzbestimmungen zugunsten der stakeholder mit sich. Anders als bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen enthält die Richtlinie jedoch keine speziellen Erleichterungen für grenzüberschreitende Formwechsel im Konzern. Für den Gesetzgeber erscheint es aber durchaus erwägenswert, dass auch bei den nicht von Art. 132 Abs. 1 bzw. Art. 160s Gesellschaftsrechts-RL erfassten Konzernumwandlungen zumindest die Möglichkeit eines Verzichts der Anteilsinhaber auf Angaben zum Barabfindungsangebot und ggf. zum Umtauschverhältnis im Plan vorgesehen werden, soweit Minderheitsgesellschafter nicht vorhanden oder aufgrund des (notariell beurkundeten) Verzichts nicht schutzbedürftig sind.
Rz. 137
Die neuen Vorschriften über den grenzüberschreitenden Formwechsel finden sich nun in den Art. 86a-86t Gesellschaftsrechts-RL. Die grundlegenden Verfahrensbausteine umfassen Plan, Bericht(e), Prüfung, Offenlegung, Beschluss und Rechtmäßigkeitskontrolle sowie spezifische Regelungen zum Schutz der Stakeholder.
Rz. 138
Für das anwendbare Recht enthält Art. 86c Gesellschaftsrechts-RL eine klare Regelung im Sinne der Kombinationslösung (Vereinigungstheorie bzw. Abschnittstheorie, zu all diesen siehe Rdn 88 f.). Hierbei kommt das Recht des Wegzugsstaates für die Teile der Verfahren und Formalitäten zur Anwendung, die im Hinblick auf die Erlangung der Verlegungsbescheinigung zu beachten sind, und das Recht des Zuzugsstaates für die Teile der Verfahren und Formalitäten, die nach Erhalt der Vorabbescheinigung zu erledigen sind.