Christoph Teichmann, Ralf Knaier
Rz. 187
Für eine Satzungssitzverlegung mit Formwechsel kann sich gleichsam aus einem bilateralen Vertrag ein Recht ergeben, den Satzungssitz identitätswahrend in einen anderen Staat zu verlegen. Misst man bspw. dem deutsch-us-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag (FHSV) von 1954 eine so weit gehende Möglichkeit bei, bestehen trotzdem erhebliche Rechtsunsicherheiten. Es ist unsicher, ob ein Verfahren wie in der EU unter der Vereinigungstheorie (dazu ausführlich Rdn 88 ff.) ablaufen würde oder nicht. Der FHSV etwa regelt lediglich in Art. XXV Abs. 5 S. 2, dass die beiden Vertragsstaaten die Rechtsfähigkeit der Gesellschaften, die nach dem Recht des jeweils anderen Staates gegründet wurden, anerkennen, mithin in diesem Verhältnis grundsätzlich die Gründungstheorie (dazu Rdn 9) gilt. Dies bedeutet keineswegs, dass damit einhergeht, dass hier die gleichen oder ähnliche Konsequenzen zu ziehen wären, wie es der EuGH im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit getan hat (dazu Rdn 27 ff.).
Rz. 188
Hinzu kommt die Problematik, dass die jeweiligen Register nicht ohne Weiteres von der Eintragung des Vorgangs überzeugt werden könnten und auch eine ggf. ausgestellte Bescheinigung über das Verfahren im Herkunftsstaat im Zielstaat nicht anerkannt werden könnte. Für die Praxis ist der Formwechsel mit Drittstaatsbeteiligung daher momentan kein gangbarer Weg. Eine Sitzverlegung einer deutschen GmbH in das außerunionale Ausland gestaltet sich damit wohl als kaum durchführbar. Umgekehrt ist nicht zu erwarten, dass die deutschen Handelsregister eine Sitzverlegung eines Drittstaatenpendants der GmbH nach Deutschland eintragen würden.
Rz. 189
Die Probleme des grenzüberschreitenden Formwechsels in einen Staat oder aus einem Staat, der nicht an die Vorgaben des EuGH zur primärrechtlichen Niederlassungsfreiheit gebunden ist, zeigen sich plakativ an den Umwandlungsversuchen britischer Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Brexit (hierzu auch ausführlich § 2 Rdn 101 ff.). Früh wurde die Möglichkeit diskutiert, eine Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland durch Formwechsel in eine deutsche GmbH "zu retten" und die Gesellschafter vor der drohenden persönlichen Haftung nach einem Statutenwechsel zu bewahren. Die deutsche Rechtspraxis musste jedoch erfahren, dass trotz der gefestigten EuGH-Rechtsprechung das in Großbritannien zuständige Companies House die Durchführung und Eintragung eines grenzüberschreitenden Formwechsels unter Hinweis darauf verweigerte, dass keine unionale Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung erlassen worden sei und das britische Recht ein derartiges Verfahren nicht kenne, womit es an einer gesetzlichen Grundlage mangele. Vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens Großbritanniens aus der EU erschien es aussichtslos, rechtzeitig Rechtsschutz vor dem EuGH für dieses unionsrechtswidrige Verhalten zu erlangen. Das Praxisbeispiel illustriert, wie praktisch bedeutsam ein kodifizierter Rechtsrahmen und ein wirksamer Rechtsschutz bei grenzüberschreitenden Sitzverlegungen sind.
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