a) UStG und LStDV
Rz. 104
Die steuerrechtliche Abgrenzung des Solo-Selbstständigen, ob es sich um echte Selbstständigkeit oder Scheinselbstständigkeit handelt, erfolgt ebenfalls nicht über den Arbeitnehmerbegriff des § 611a BGB – und auch nicht über den Beschäftigtenbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV –,sondern über den Unternehmerbegriff in § 2 UStG und den Arbeitnehmerbegriff in § 1 LStDV. Dies hat der Gesetzgeber auch bei dieser Reform nicht geändert.
Rz. 105
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG enthält eine Negativ-Definition, wann jemand nicht selbstständig ist. Danach wird "die berufliche Tätigkeit nichtselbstständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind". Daneben definiert § 1 Abs. 3 LStDV, dass derjenige, "wer […] sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit […] gegen Entgelt ausführt, […]" kein Arbeitnehmer ist und verweist somit auf den Arbeitnehmerbegriff. Arbeitnehmer sind nach § 1 Abs. 1 LStDV "Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Arbeitnehmer sind auch die Rechtsnachfolger dieser Personen, soweit sie Arbeitslohn aus dem früheren Dienstverhältnis ihres Rechtsvorgängers beziehen". Nach § 1 Abs. 2 S. 1 und 2 LStDV liegt ein solches lohnsteuerpflichtiges Dienstverhältnis (= Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit) dann vor, "wenn der Angestellte (Beschäftige) dem Arbeitgeber (öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvorstand) seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist."
Rz. 106
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH legt § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 LStDV den Arbeitnehmerbegriff zutreffend aus. Dies bedeutet, dass die Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit für das Steuerrecht über den Arbeitnehmerbegriff i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 u. 2 LStDV erfolgt. § 1 Abs. 2 S. 1 und 2 LStDV beschreiben die Merkmale, anhand derer zu entscheiden ist, ob Arbeit nichtselbstständig (§ 19 Abs. 1 EStG), d.h. von einem Arbeitnehmer erbracht, oder selbstständig geleistet wird.
Rz. 107
Für eine nichtselbstständige Tätigkeit können bspw. insbesondere persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit, feste Arbeitszeiten und Bezüge, Anspruch auf Urlaub und auf sonstige Sozialleistungen, Überstundenvergütung sowie Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sprechen.
Rz. 108
Für persönliche Selbstständigkeit hingegen sprechen Selbstständigkeit in der Organisation und der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sowie Handeln auf eigene Rechnung und Eigenverantwortung.
Rz. 109
Dabei lässt sich der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffes. Es handelt sich vielmehr um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbstständig ausübt, ist deshalb an einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Hierzu hat der BFH zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale sind im konkreten Fall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhältnisse, d.h. die getroffenen Vereinbarungen müssen ernsthaft gewollt sein und auch tatsächlich durchgeführt werden. Vereinbarungen, die als Werkverträge bezeichnet sind, können zwar als Indiz für die steuerrechtliche Bewertung einer Leistungserbringung herangezogen werden, in erster Linie ist aber auf die tatsächliche Durchführung abzustellen. Besonderes Gewicht misst die Rechtsprechung des BFH in einer Reihe von Fällen dem Merkmal des Unternehmerrisikos i.S. eines Vergütungsrisikos bei.
Rz. 110
Nicht ausschlaggebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung der Tätigkeit als selbstständig oder unselbstständig. Der steuerliche Arbeitnehmerbegriff ist eigenständiger Natur. Zwar könne es i.R.d. steuerrechtlichen Beurteilung als Indiz gewertet werden, wenn das Arbeitsrecht bzw. das Sozialversicherungsrecht ein nichtselbstständiges Beschäftigungsverhältnis annehme. Es bestehe jedoch in dieser Frage keine Bindung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. Die Begriffe s...