Rz. 116
Es gibt immer wieder Fälle, in denen ein Solo-Selbstständiger bzw. Freier Mitarbeiter vom Finanzamt als Selbstständiger behandelt wird, von den Sozialversicherungsträgern aber als abhängig Beschäftigter angesehen wird, oder auch umgekehrt, dass ein Freier Mitarbeiter vom Finanzamt als Nichtselbstständiger angesehen wird, die Sozialversicherungsträger dies aber anders sehen. Selbst im Fall der Tätigkeit als Freier Mitarbeiter bei dem Besuchsdienst des Deutschen Bundestages hat das SG Berlin entschieden, dass ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, während das FG Berlin-Brandenburg auf eine selbstständige Tätigkeit für das Umsatzsteuerrecht in gleicher Sache entschieden hat. Erst in der Berufungsinstanz kam es dann zum Gleichklang, als die Honorarkräfte vom LSG Berlin-Brandenburg als Selbstständige angesehen wurden.
Rz. 117
Diese unterschiedliche Beurteilung von ein und derselben Tätigkeit durch die Finanzbehörden und Sozialversicherungsträger liegt zum einen daran, dass es aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Intention (s. oben § 4 Rdn 14) keine einheitliche Definition (s. oben § 4 Rdn 8 ff. u. 69) für die selbstständige bzw. abhängige Beschäftigung in den unterschiedlichen Rechtsgebieten gibt. Zum anderen stellt die Rechtsprechung in allen Rechtsgebieten (Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht) auf die Beurteilung des Gesamtbildes der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall ab. Diese kann unterschiedlich ausfallen. Denn die Beurteilung beinhaltet neben der rechtlichen auch eine tatsächliche Würdigung, die durchaus von verschiedenen Stellen unterschiedlich beurteilt werden kann. Wegen der bestehenden Unabhängigkeit zwischen Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern, aber auch der Gerichte, besteht keine Bindungswirkung. In der Praxis kann dies zu grotesken Situationen führen. Abhilfe im Sinne von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kann nur der Gesetzgeber schaffen, der dies bei der jetzigen Reform erneut versäumt hat.