Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
a) Kraftfahrzeug
Rz. 11
Für das Tatbestandsmerkmal "Kraftfahrzeug" enthält § 1 Abs. 2 StVG eine für das Straßenverkehrsrecht einschlägige, auf das StVG beschränkte Begriffsbestimmung. Danach gelten als Kraftfahrzeuge "Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein". Wesentliches Merkmal des Kfz ist es, dass es von einem mitfahrenden Fahrer betrieben werden kann. Ein an einer Deichsel gelenkter Elektrowagen ist kein Kfz, weil er ohne Fahrer betrieben wird. Gleichgültig ist, ob es zugelassen ist, ob es sich auf Rädern oder Raupen oder Schlitten bewegt und ob es der Beförderung von Personen oder Sachen oder der Leistung von Arbeit dient.
Rz. 12
Für die Einstufung als "Landfahrzeuge" ist die Fähigkeit zur Fortbewegung auf der Erdoberfläche maßgebend. Demgemäß scheiden von vornherein solche Geräte aus, die weder die Fähigkeit noch die Bestimmung haben, von Ort zu Ort bewegt zu werden (z.B. Autokarussell, Rolltreppen, Fahrstühle, Drehkräne). Das so eingeordnete "Landfahrzeug" muss außerdem zum Verkehr auf dem Land bestimmt sein. Fahrzeuge, die nach Art und Einrichtung weder dazu geeignet noch dazu bestimmt sind – gleichgültig ob zu Beförderungs- oder Arbeitszwecken – am Verkehr teilzunehmen, sind nicht als Landfahrzeuge und somit auch nicht als Kraftfahrzeuge anzusehen. So sind z.B. sog. Autoscooter, deren Zweck sich in der Bewegung auf einer begrenzten Fahrfläche allein um der Bewegung willen erschöpft, keine Kraftfahrzeuge. Nicht erforderlich ist, dass das Landfahrzeug am öffentlichen Verkehr teilnimmt. Auch solche Fahrzeuge, die ausschließlich auf privatem Gelände, auf geschlossenen Bahnen fahren, sind Landfahrzeuge, ebenso wie die an einem Werkverkehr teilnehmenden (z.B. Bahnrennen). Es kommt auch nicht darauf an, welcher Beförderungszweck mit der Inbetriebnahme verbunden ist. Kraftfahrzeuge im vorbezeichneten Sinn können daher der Beförderung von Personen oder Lasten dienen oder als fahrbare Arbeitsmaschinen Verwendung finden (z.B. Motorkräne, Straßenwalzen, Motorfeuerspritzen, Motorpflüge usw.). Weil § 1 Abs. 2 StVG nicht auf eine bestimmte Art maschineller Antriebskraft abstellt, findet das Gesetz auch auf mit elektrischer Kraft angetriebene Oberleitungsomnibusse Anwendung.
Rz. 13
Die Einstufung von Elektrofahrrädern (E-Bikes, Pedelec [Pedal Electric Cycle] oder auch LEV [Light Electric Vehicle]), die mit einem zusätzlichen Elektromotor ausgestattet sind, hängt nach § 1 Abs. 3 StVG von der Leistung und der Art der Motorunterstützung ab. Derartige Fahrzeuge finden eine zunehmende Verbreitung und erfreuen sich steigender Beliebtheit. Danach scheidet eine Einstufung als Kraftfahrzeug aus, wenn der elektromotorische Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet ist, sich seine Unterstützung mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher, wenn der Fahrer im Treten einhält, unterbrochen wird. Nach Satz 2 gilt dies auch für Elektrofahrräder mit einer elektromotorischen Anfahr- oder Schiebehilfe, die eine Beschleunigung des Fahrzeuges auf eine Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h, auch ohne gleichzeitiges Treten des Fahrers, ermöglichen. Mit § 1 Abs. 3 StVG sind die Abgrenzungsmerkmale aus Art. 1 Abs. 2 lit. a und h der Richtlinie 2002/24/EG übernommen und entsprechende Beschlüsse des Bund-Länder-Fachausschuss-Technisches Kraftfahrwesen und des Bund-Länder-Fachausschusses StVO sowie eine Empfehlung des 50. Verkehrsgerichtstages in nationales Recht umgesetzt.. Für die in § 1 Abs. 3 StVG genannten Fahrzeuge sind die Vorschriften über Fahrräder anzuwenden. Haftungsrechtlich sind sie mithin nicht in die Gefährdungshaftung einbezogen.
Rz. 14
Ist das E-Bike dagegen mit tretunabhängigem Antrieb ausgestattet, ist es als Kraftfahrzeug zu qualifizieren.
Rz. 15
Auch Segways sind Kraftfahrzeuge. Dabei handelt es sich um einachsige elektrisch angetriebene Fahrzeuge, die, als elektromotorengetriebenes Ein-Personen-Transportmittel, durch Gewichtsverlagerung gesteuert werden. Diese gelten als Kraftfahrzeuge im Sinne der StVO und sind als Mobilitätshilfen zum Verkehr zugelassen, wenn sie die in § 1 Abs. 1 Mobilitätshilfenverordnung (MobHV) genannten Voraussetzungen erfüllen. Wenn sie die in § 1 Abs. 1 MobHV vorgesehene bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h einhalten, sind sie gemäß § 8 Nr. 1 StVG von der Haftung nach dem StVG befreit.
Rz. 16
Für die Einstufung von "elektrisch betriebenen Fahrzeugen ohne Sitz und selbstbalancierenden Fahrzeugen", besser bekannt als City-Roller, Elektro-Tretroller oder als E-Scooter kann im Blick auf § 1 Abs. 3 StVG nichts anderes gelten. Nach der vom Bundeskabinett beschlossenen Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung vom 6.6.2019 sind hiervon Elektrokleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h mit weit...