Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 138
Wie dargelegt endet die Halterhaftung im Fall der ohne Wissen und Wollen des Halters erfolgenden Benutzung des Fahrzeugs. Gleichwohl besteht die Halterhaftung neben der Haftung des Schwarzfahrers im Verschuldensfall. Hierzu legt § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StVG fest, dass der Halter neben dem Schwarzfahrer zum Ersatz des Schadens verpflichtet bleibt, wenn die Benutzung des Fahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist.
Rz. 139
Das Verschulden des Halters ist nach § 276 BGB zu beurteilen. An die Sorgfalt des Halters (vgl. auch § 14 Abs. 2 S. 2 StVO) sind hohe Anforderungen zu stellen. Ihn trifft aus den §§ 14 StVO, 38a StVZO die Pflicht, alle zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung vom Schwarzfahrten zu ergreifen, da die Benutzung von Fahrzeugen durch unbefugte oder ungeeignete Personen erfahrungsgemäß erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr mit sich bringt. Hat der Halter einmal die Benutzung des Fahrzeugs durch einen Schwarzfahrer ermöglicht, so bleibt dieser Zustand so lange bestehen, bis die Benutzungsmöglichkeit tatsächlich wieder ausgeschlossen worden ist.
Rz. 140
Die Ermöglichung der Schwarzfahrt verliert auch dann ihre Bedeutung, wenn die Benutzung durch den Schwarzfahrer aufhört, die durch das Verschulden des Halters ermöglicht worden ist. Wohl aber kann der erste Schwarzfahrer seinerseits dafür haften, wenn er schuldhaft die Benutzung des Fahrzeugs durch einen zweiten Schwarzfahrer dadurch ermöglicht hat, dass er das Fahrzeug einfach auf der Straße hat stehen lassen. Das Verschulden bei der Ermöglichung der Schwarzfahrt kann einmal in der mangelhaften Auswahl und Beaufsichtigung des angestellten Fahrers oder anderer an den Wagen herankommender Angestellter liegen, sofern diese die Schwarzfahrt selbst ausgeführt oder anderen ermöglicht haben. Gegebenenfalls ist an die Auswahl und Beaufsichtigung der Angestellten ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs hat aber keine Verantwortung mehr dafür, ob und wie der Käufer das Fahrzeug benutzt.
Rz. 141
Fahrlässigkeit kann aber gegeben sein, wenn der Veräußerer das alte Nummernschild an dem Fahrzeug belässt, obwohl er nicht die geringste Gewähr dafür hat, dass der Käufer, der noch keine Zulassung hat, dieses Nummernschild nicht missbraucht. Insbesondere Eigentümer von Sammelgaragen sind verpflichtet, alle möglichen Vorkehrungen zu treffen, damit das Garagenpersonal keine Schwarzfahrten unternehmen kann. Die Beschäftigung eines Jugendlichen als alleinige Nachtwache in einer Sammelgarage stellt in diesem Sinne schon für sich allein ein Verschulden dar. Der Inhaber der Sammelgarage muss die Schlüssel der bei ihm verwahrten Autos, soweit sie in der Garage aufbewahrt werden, derart unter Verschluss halten, dass nicht jeder Angestellte und jeder Kunde an die Schlüssel herankommen kann. Ähnliches gilt für den Inhaber einer Werkstatt, in der das Fahrzeug abgestellt ist. Der Werkstatt- oder Garageninhaber haftet daneben auch aus Vertrag.
Rz. 142
Daneben steht die Beaufsichtigung des Kraftfahrzeugs selbst. An die Sorgfaltspflicht des Halters sind dabei die strengsten Anforderungen bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls zu stellen. Das Kraftfahrzeug ist so zu verwahren und abzustellen, dass es Unbefugten nicht zugänglich ist. Beim Lkw können unter Umständen geringere Sicherungsanforderungen genügen, da er weniger Anreiz zur Schwarzfahrt bietet. Die Ermöglichung der Schwarzfahrt kann auch mittelbar geschehen, indem nur günstige Bedingungen dafür gesetzt werden, dass Personen, die zu Schwarzfahrten neigen, sich des Kraftwagens bemächtigen können. Bei Personen, die als unzuverlässig bekannt sind, insbesondere bei Jugendlichen, muss der Halter die den Umständen entsprechende besonders hohe Sorgfalt anwenden, um die Benutzung des Fahrzeugs unmöglich zu machen.
Rz. 143
Der Halter muss die als erforderlich erkennbaren möglichen und zumutbaren Maßnahmen treffen. Ein in der verschlossenen Garage vermuteter Benzindiebstahl muss seinen Verdacht auf die Möglichkeit von Schwarzfahrten lenken und ihn zu Kontrollen veranlassen. Gegenüber Familienmitgliedern, die schon öfter unerlaubt gefahren sind, können weitergehende Maßnahmen als gegen dritte Personen erwartet werden. Andererseits müssen Fahrzeugschlüssel gegenüber Familienangehörigen und anderen Mitgliedern der Wohnung nur bei Vorliegen besonderer Umstände, aus denen sich die Gefahr unbefugter Benutzung ergibt, unzugänglich aufbewahrt werden. Weiß der Halter, dass sein Auszubildender bereits trotz Verbots unerlaubt gefahren ist, so muss er weitere Sicherungen schaffen.
Rz. 144
Keine schuldhafte Ermöglichung der Schwarzfahrt ist es, wenn nahen Verwandten oder Bekannten, bei denen nicht der geringste Verdacht einer Schwarzfahrt besteht, aus vernünftigen Gründen die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug kurzfristig überlassen wird. Die Aushändigung der Fahrzeugschlüssel an einen Bekannten, damit...