Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
1. Zweckrichtung
Rz. 2
Das in § 7 StVG auf den Halter und in § 18 StVG auch auf den Führer eines Kraftfahrzeugs ausgerichtete Haftungssystem trägt der potenziellen Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs als Verkehrsmittel Rechnung. Deswegen ist in § 7 StVG eine weitgehend von einem Verschulden unabhängige Haftung des Halters und zugleich in § 18 StVG eine vermutete Verschuldenshaftung des Fahrzeugführers festgelegt. Diese Regelungen gewährleisten eine angemessene und in aller Regel zügige Schadensregulierung unter Berücksichtigung der Interessen der am Straßenverkehr teilnehmenden Verantwortlichen und der Betroffenen. Ergänzt wird dieses System durch die im Falle eines Verschuldens parallel eingreifende Haftung nach den §§ 823 ff. BGB.
Rz. 3
Im Zusammenhang mit den einschlägigen Vorschriften des Versicherungsrechts stellen die vorgenannten Regelungen aus der Sicht sowohl des Geschädigten als auch des Schädigers ein umfassendes Vorsorgesystem dar: Der für die Straßenverkehrshaftung obligatorische Versicherungsschutz nach dem Pflichtversicherungsgesetz gewährleistet nicht nur eine Deckung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten, sondern gewährt ihm auch einen nach näherer Maßgabe von § 115 VVG gerichtlich durchsetzbaren Direktanspruch gegen den Versicherer selbst. Obgleich die Pflichthaftpflichtversicherung in erster Linie dem Interesse des Geschädigten dient, ist hieraus auch der Schädiger geschützt, und zwar zum einen durch die Deckung nach dem Versicherungsvertrag, und zum anderen gerade wegen der Einschränkung der Regressmöglichkeiten des Versicherers innerhalb der Kfz-Pflichtversicherung.
Rz. 4
Aus der Sicht des Gesetzgebers hat sich dieses Haftungssystem "über Jahrzehnte hinweg bewährt. Es gewährleistet eine angemessene und in aller Regel zügige Schadensregulierung unter Berücksichtigung der Interessen der am Straßenverkehr teilnehmenden Verantwortlichen und der Betroffenen". Die Bedeutung der Gefährdungshaftung wird zunehmen. Insbesondere die Einführung vollautomatisierter Fahrzeuge wird hauptsächlich unter dem haftungsrechtlichen Blickwinkel der Gefährdungshaftung beurteilt werden. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen das Verkehrsgeschehen ohne den direkten Einfluss eines Fahrers verläuft. Hinzu kommen die mit elektromotorischem Hilfsantrieb versehenen Fahrzeuge. Zwar sind sie unter den tatbestandlichen Gegebenheiten des § 1 Abs. 3 StVG von der Gefährdungshaftung weitgehend ausgeschlossen, so dass insoweit ausschließlich eine Verschuldenshaftung in Betracht kommen kann. Allerdings nimmt die Leistungsfähigkeit solcher Fahrzeuge zu mit der Folge einer entsprechenden Einbeziehung in die Gefährdungshaftung des StVG.
2. Gefährdungshaftung
Rz. 5
Halterhaftung ist Gefährdungshaftung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass der Kraftfahrzeughalter – erlaubterweise – dadurch eine Gefahrenquelle eröffnet, dass er ein Kraftahrzeug betreibt. Dementsprechend sollen mit Hilfe der Vorschrift alle durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs beeinflussten Schadensabläufe erfasst werden. Der Kfz-Halter haftet nicht primär für verbotenes Verhalten, sondern für die Eröffnung einer Gefahrenquelle. Deshalb wird er, auch wenn er sich weder schuldhaft noch verkehrswidrig verhält, in den Grenzen des StVG mit der Schadenshaftung regelmäßig allein schon deshalb belegt, weil er als Verfügungsberechtigter den mit dem Betrieb des Kfz verbundenen Gefahrenkreis eröffnet hat.
Rz. 6
Die Gefährdungshaftung i.S.d. § 7 StVG ist keine Unrechtshaftung. Sie beruht nicht auf dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für Unrecht, sondern in ihrem Grundgedanken auf dem Prinzip der Schadlosstellung für den Fall, dass sich ein Risiko verwirklicht, welches die Rechtsordnung zur Nutzung des technischen Fortschritts zulässt. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist. Die Haftung nach § 7 StVG endet – und insofern handelt es sich um ein "geschlossenes System" – erst dort, wo sich der Unfall als unabwendbares Ereignis darstellt oder soweit ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten oder die Betriebsgefahr seines unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges Berücksichtigung gebieten.
Rz. 7
Ob die Gefährdungshaftung zugleich objektive Rechtswidrigkeit voraussetzt, ist bestritten. Richtigerweise muss die in § 7 Abs. 1 StVG erläuterte Rechtsgutverletzung – in Abs. 2 als "Unfall" bezeichnet – objektiv rechtswidrig sein. Eine rechtmäßige Verletzung der Rechtsgüter eines anderen kann kaum als "Unfall" bezeichnet werden. Denn ein Unfal...